Mittwoch, 7. Dezember 2011

Gefängnisbesuch - (elmo)


In Gedanken an unsere Exkursion "Besonderes Arbeitsumfeld"


Gefängnisbesuch
Ihr heute kommt und geht
Ein Arzt zwischen euch steht
Und ihr seht die hier so lang gebunden
Deren Frauen ohne sie entbunden
Deren Kinder ohne Väter
Weil nun eben diese Täter
Waren und auch bleiben
Ohne Zukunft treiben
Und sie fliehen mit denen
Ihren so freien Gedanken
Eure die rein Goldenen:
Zuletzt Hauptsache bedanken

Mittwoch, 23. November 2011

Discrete Ocean - Vantage Points (Martin)

Swimming on solid ground, I feel lost.
It is not my right place, I do not fit.
All alone, I am surrounded by fellow scatters, drifting in a sea of uncertainty.
Dressed in blue as the others, only a thin brown line distinguishes me from my company. A scar, barely visible to the eye, my only trademark.
I toss and turn, but everything seems to look the same. I cannot get a hold on the others.
They stand side by side, some in blue, some more colorful, drawing figures to mock me.
My distress grows, I am waiting silently, resting for hours in the same spot.
Suddenly, shadow falls over me.
A gentle touch, I am being picked up from my misery.
From above, I can see many like myself, lying alone on the cold wood, far from home.
But my heart jumps, as I am getting closer to the cluster, to the others, hugging themselves in joy, a happy assembly.
I reach out and I am able to grab on.
A warm welcome, embraced in blue.
Look! I see another with almost the same scar as mine!
The brown lines connect, this is my place.
I finally fit!
And now I am beginning to see the whole picture.

The Chronicle of Hektor - Teil I

Das Schallen des Weckers riss ihn aus seinem unruhigen Schlaf. Es dröhnte in seinem Kopf als hätte er nur wenige Stunden geschlafen. Gequält lies er seine Hand auf den Wecker sinken und schälte sich aus seinem Bett. Wie in Trance schlappte er zum Bad und verrichtete sein Morgenritual. Als er die Küche betrat, stand er in einem unerleuchteten leicht kühlen Raum. Stumm drehte er sich um und stieg die Treppe zu dem Schlafzimmer seiner Eltern herauf. Als er die Tür öffnete und den Lichtschalter betätigte sah er sie. Still lagen sie da. Feine Blutrinnsale rannen ihnen aus Augen, Ohren und Mund. Mit ruhiger Hand löschte er das Licht und schloss die Tür. In seinem Zimmer griff er unters Bett und holte seinen Rucksack hervor. Alles war fertig für diesen Tag gepackt. Als er zur Haustüre ging sah er die Zimmertüre seines Bruders. Einen Moment wollte er weiter gehen. Besann sich jedoch kurz und öffnete sie. Es bot sich ihm das gleiche Bild wie davor. Leise schloss er die Tür. Was hatte er sich erwartet? Er schwang sich den Rucksack auf die Schultern und trat aus dem Haus in das Licht der aufgehenden Sonne.

Donnerstag, 17. November 2011

High Noon mit roten Augen in Grau - (elmo)

High Noon mit roten Augen in Grau

Hier ist ein Mann, er ist dünn und schwach. Keine Kraft mehr in dem Körper, der in nicht mehr als ein zerschlissenes Hemd und eine schmutzige Hose gehüllt ist. Unmöglich zu sagen, welche Farben die Klamotten einst hatten. Alles verblasst, so wie seine Lebenskraft. Hier ist ein Mann, der schon langer Zeit begonnen hat zu sterben. Hier ist ein Mann, der gar nicht mehr richtig hier ist.
Er sitzt auf dem Boden einer windstillen, staubigen Straße, die noch in Jahrzenten keinen Asphalt gesehen haben wird. Er sitzt an ihrem Rand und lehnt sich an einen kaputten Holzzaun. Neben ihm Scherben einer zerbrochenen Flasche, deren Hals er immer noch fest in seiner linken Hand hält. In seiner Rechten hält er nichts. Das ist sein Dasein.
Um ihn herum sind locker gesetzt Häuser, aufgebaut aus dem nichts und dahin werden sie auch verschwinden. So wie alles in dieser kleinen Stadt, falls das nicht sowieso ein zu großes Wort für das hier ist. Alles was bleiben wird ist die Straße. Die Straße auf der in korrekten zeitlichen Proportionen Männer ihr Leben ganz ohne Würde in ehrenhaften Duellen verlieren. High Noon und meistens Bauchschüsse. Qualvolle Tode. Gelegentlich schaffen sie es noch sich bis an den Rand zu ziehen, nur um dann da zu krepieren. Da liegen sie dann bis sie so sehr stinken, dass sie irgendjemand entfernt.
Alles vor den Augen unseres Mannes, der gar nicht hinsieht. Die Augen starr auf die Geschehnisse gerichtet ohne auch nur irgendetwas zu sehen. Er sitzt dort am Boden wie ein Mahnmal für alles, was dort geschehen ist und noch kommen wird. All der Schmerz und die wenige Freude. Zeitlos sitzt er wie ein steinerner Wächter und wartet auf seine Ablösung. Die Augen voll Sand, rot und trocken. Willenlos wie der Fotoapparat etwa 150m von ihm entfernt. Der Fotoapparat des Bürgermeisters, der darauf so stolz ist. Bald wird er sterben er und man merkt es erst drei Tage später, als er nicht zur Messe erscheint. Als man sein Haus nach der Beerdigung durchsucht, findet man einen Grabstein mit seinem Namen drauf, aber stellt ihn nicht auf. Wenn man wüsste, wo man suchen müsste, würde man noch lange den Stein unter viel Sand finden können. Wie ein Grundstein trägt er ein Stück Geschichte in die Zukunft, nur dass nie jemand unter ihm lag und ihn so seiner Bedeutung beraubt.
Dafür gibt es etwas in dieser Stadt, worunter schon viele lagen. Sie ist die einzige Prostituierte in dieser Stadt und war nicht mal in ihrer Jugend schön. Das einzige was verhinderte, dass sie fettleibig und völlig unförmig wurde, war der andauernde Essensmangel. Bald beginnt sie ihre Freier immer ein wenig zu beklauen, gerade genug zusammenzubekommen um wegzureißen und nie wieder zu kommen. Ihr großer Traum. Als ein Stammkunde das bemerkt erschießt er sie mit einem Revolver.
Einen Revolver findet auch unser entseelter Mann plötzlich neben seiner rechten Hand im Sand liegen. Langsam, als sei er sich nicht sicher ob der Revolver echt wäre, greift er nach ihm, die rotgrauen Augen bewegen sich, scheinen weniger grau und betrachten lang das Fundstück. Er scheint alt und nicht geölt, das Holz am Griff hat Sprünge und die Holzstückchen sprießen spröde hervor. Aus der Kirche hört man die Glocke zwölfmal spröde klingen. Er richtet sich langsam auf, in dem er sich an dem Zaun hochzieht. Lässt seinen Flaschenhals zurück und geht ganz vorsichtig in die Mitte der Straße. Dort hält er sich die Waffe an den Kopf und drückt hab. Nichts passiert. Langsam schaut er sich um, niemand hat ihn bemerkt. Er lässt die Waffe in der Mitte der Straße in den staubigen Sand fallen und geht schwach zurück zu seinem Zaun. Dort lässt er sich wieder nieder neben seinem Flaschenhals und die Augen richten sich wieder stumpf gerade aus. Sie scheinen nun noch etwas grauer und leerer als zuvor.

Montag, 14. November 2011

Liebeserklärung mit Plasma an den Händen - (elmo)


Liebeserklärung mit Plasma an den Händen

Ich geh auf der Sonne spazieren, weil alle sie so anhimmeln, weil sie viel verspricht. Ich wandle durch ihre Flammen und streiche sanft über sie. Hauche gegen kleine Funken und sie zersplittern wie kristallene Pusteblumen. Schneiden durch den Solarwind, fliegen mit ihm und werden weit, weit weg getragen. Werden bis zu dir getragen und du weißt ganz genau sie kommen von mir. Aber ich will nicht, dass du das weißt, will versteckt bleiben zwischen Flammen. Ich will hier bleiben und nichts mehr mit all dem zu tun haben, will nichts mehr mit dir zu tun haben, will in Plasma baden. Doch all mein Tun kann nicht von dir lassen. Du bist mein erster Anstoß, alles ist deine Schuld und alles ist für dich. Ich kann meine Gedanken nicht von dir abwenden. Du wolltest, dass ich dich zum Mond bringe, aber dann bin ich weitergeflogen; weitergeflohen um auf der Sonne spazieren zu geh‘n. Hab dich auf dem Mond gelassen, auf seiner Sonnenseite gelassen. Wenn ich von meinen Füßen aufsehe, sehe ich alles unendlich weit und kann nicht an dir vorbeisehen. Du wartest da und fängst alle kleinen Funken, die ich losschicke, wegblase, freitrete, nur ich bin gefangen. Bewege mich frei zwischen Sonnenstürmen und versuche meinen Kopf frei zubekommen oder leer zubekommen. Lehne mich an Lava-Geysire und friere wieder mit meinen Gedanken an dir fest. Auf dem Mond muss es kalt sein, du allein. Sitze auf einem glühenden Brocken und schon wieder nur du. Werfe mich hinab zwischen die ganzen Fusionen, will dort zerdrückt werden, will etwas anders werden, doch meine Gedanken halten mich zurück, halten mich am Rand des Abgrunds fest, klammern sich alle nur an dich und um dich. Sie ziehen mich aus der Mitte der Sonne bis zu dir, kann gar nichts dagegen tun, will auch gar nichts mehr dagegen tun. Du bist alles. Stehe nun jetzt vor dir und nur ich seh‘ dich. Du bist geblendet von den Resten der Sonne an meinen Händen, herausgerissen beim dem dummen Versuch mich festzuklammern, mich zu wehren. Während du nicht sehen kannst, verbrenn ich den Boden dieses Mondes. Drücke meine Hände in ihn, will ihn strafen. Wo sind denn diese wahren, diese physikalischen Anziehungskräfte und wie kann denn das sein, dass ich wieder hier bin? Entferne meine Hände aus seinem Leib und Narben sind Wörter. Narben sind Bilder. Narben sind Botschaften. Liebesbeweise. Alle nur für dich. Du siehst nur sie. Jetzt siehst du nicht mich. Ich umarme dich. Ich meine es so. Ich sag „Ich liebe dich“ und Plasma tropft mir von den Händen.

Montag, 7. November 2011

The Husk - Vantage Points (Martin)

Covered in darkness, I hide inside. Without light, my confinement seems eternal.
No track of time, squelched to dust, forgotten, forsaken.
I rest peacefully, without anger, fear or regret.
My only companion is the iron of my small cell. No window, no door to release me.
I do not care.
Lurking in silence, I wait for my time to come.
Only one purpose is known to me, manufactured in the depth of nowhere, I slumber until my release.
The days run by, time seems like an abstract concept to me, a cloudy idea, floating above me.
Then, suddenly a stroke trembles my humble home. The walls are moving, I feel lifted.
Tumbled in my prison, excitement starts rising in me.
The momentum stops.
A silent click.
Suspended in midair, I patiently wait.
A hard shock as I feel accelerated.
I feel weightless.
A sudden hit is shaking me.
Puzzled I keep tripping over myself.
Heat inclines.
I feel invigorated, an enormous power gets a hold of me.
The iron cannot keep me any longer.
My husk breaks.
I burst into the fresh air, immediately growing to majestic proportion.
Obstacles keep crossing my way but my touch turns them to dust.
I feel free!
At the height of my blazing escape, fatigue creeps up on me.
My energy vanishes, I crumble.
The last vapors of my glorious peak are still floating in the air and I finally fall to sleep.

Freitag, 28. Oktober 2011

Bestandteil - (elmo)

Ich bin schon die ganze Zeit hier. Ich warte hier auf einen Moment mit dir. Wate durch meine Umgebung. Deine Umgebung. Knietief umher und denke nur an dich. Will eine Millisekunde von dir erhaschen. Wollte immer Teil von dir sein. Wollte immer bei dir sein. Gebe meinen Platz in dir nie wieder auf. Stehe hier in deiner Netzhaut. Alles um mich rum registriert mich nicht. Immer nur On, On und Off. Signale schießen, bilden kaskadenförmig Bilder. Bilden Bilder. Ohne mich. Wollte doch Bestandteil sein. Jetzt merkst du mich nicht. Ich schreie, hüpfe, springe. Keine Ruhe mehr. Schenk mir Aufmerksamkeit. Nur einen Moment. Nur ein kleiner Lichtblick. Für mich. Für mich und auch für dich. Sieh in dich hinein. Mach dir Gedanken. Sieh, was wichtig ist. Sieh mich in dir. Ich bin doch hier in deinem Kopf. Sieh mich an. Denk wenigstens mal kurz an mich. Ich bin nicht in deinem Herzen. Ich wollte nicht in deinem Herzen sein. Nur eine plumpe Pumpmaschine. Wollte davon kein Bestandteil sein. Bin hier ganz richtig in deinem Kopf. Hoch komplexes Auge. Hoch komplexes Arrangement. Eigentlich ganz simpel. Ich will deine Aufmerksamkeit. Ich will gesehen werden. Nur von dir. Will dich sehen. Immer nur dich. Will Bestandteil sein. Will bei dir sein. Warum bin ich nur ein Fremdkörper? Ich will mehr als nur Bestandteil sein. Physiologisch, regelrecht. Ich will dich ausfüllen. Will dich von innen erfüllen. Will für immer in dir sein. Achte auf mich. Ich will hier Reize verursachen. Ich springe. Du zuckst. Alles bebt. Bemerk‘ mich endlich. Ich bin ganz verzweifelt. Stehe hier. Stehe da. Ist denn hier alles dein blinder Fleck? Bist du denn gänzlich blind. Kann nicht sein. Immer um mich herum Signale. On, On, Off, On. Immer weiter. Warum siehst du mich nicht. Wie nah soll ich denn noch kommen? Ich schrei‘ dich an. Du hörst mich nicht. Dein Auge kann nicht hören. Dein Auge kann nur sehen. Aber du siehst mich nicht. Suche Fehler. Finde keine. Bin verzweifelt. Warum? Warum? Wieso? Ich wollte immer nur Bestandteil sein. Nein, kein Bestandteil sein. Wollte mehr sein. Wollte alles sein. Nur für dich. Doch du siehst mich nicht. Ich werde immer stummer. Hat alles keinen Sinn. Brauche Ruhe. Lege mich nieder. Dort wo deine Gefäße sprießen. Merke dann. Hier siehst du mich sicher nie. Zeit verschwendet. Nicht deine Schuld. Meine Schuld. Ich bin wütend. Fange wieder schreien an. Nicht für dich. Nur für mich. Ich gebe niemals auf. Ich werde schon gewinnen. Du wirst mich noch beachten. Ich hüpfe erst. Springe dann. Bin ganz toll. Toll. Toll. Tollwut. Tollwut-artig springe ich um her. Habe Schaum vor den Mund. Reiße an deinen Nerven. Deinen Zellen. Rupfe sie heraus. Zerre an deinen Nerven. Alles aus dem komplexen Geflecht. Kein Gegner für mich. Ich wollte nie der Gegner sein. Du solltest nie der Gegner sein. Wollte doch nur Aufmerksamkeit. Ist jetzt auch schon zu spät. Kämpfe weiter. Kämpfe weiter. Kämpfe stärker. Heftiger und wilder. Um mich liegt alles in Fetzten. Werfe Fetzten. Werfe halbe Zellen. Gegen deinen Glaskörper. Will alles hinaus werfen. Durch werfen. Ganz hindurch werfen. Bis hinaus durch deine Hornhaut. Auf alles, was da draußen ist. Auf alles, was dich interessiert. Auf alles. Alles. Einfach alles. Warum siehst du mich nicht? Wollte doch nur Bestandteil sein. Wollte kein Bestandteil. Wollte mehr sein. Wollte alles sein. Wollte, wollte, doch du wolltest nicht. Hast mir alles verwehrt. Jetzt bin ich wirklich Fremdkörper. Jetzt bin ich Feind. Deine Schuld. Siehst du mich jetzt? Verstehst du es? Ich zerreiße deine letzten Fasern. Dein ganzes Nervengeflecht liegt um mich herum verstreut. Zerstreut. Keine Signale mehr. Nun siehst du nichts mehr. Nie mehr. Ich bin Schuld. Nein. Du bist Schuld. Du bist Schuld. Du hattest es in der Hand. Mich in deinem Auge. Jetzt siehst du nichts mehr. Nie wieder. Auch mich nicht. Bin jetzt wenigstens gleichwertig. Gleichwertig. Besser als nichts. Bin wie alles andere. Will kein Bestandteil sein von allem. Will nur ein Bestandteil sein von dir. Will kein Bestandteil sein. Will alles sein. Bin nichts. Bleibe nichts. Deine Schuld. Chance verpasst.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Sonne, Mond und Lithium - (elmo)


Mal ganz ohne Erklärung, zum selbst nachdenken

Sonne, Mond und Lithium

Heute Nacht wollte ich nach Hause gehen und war voll freudiger Erwartungen, doch als ich da war, stand da jemand.
Ein gewisser unbekannter Junge.
Und er fragte, was ich da wolle, so mitten in der Nacht; und ich sagte, dass ich nach Hause gehen will.
Dann sagte er, dass ich hier aber nicht durch könne, und ich antwortete, dass ich auch gar nicht durch wolle, sondern hinein.
Aber er war sich nicht sicher, ob ich hier wohne.
Komischer Fehler, der ihm da passiert, dachte ich, denn ich wohne hier ganz sicher.
Er sagte, dass ich vielleicht früher einmal hier gewohnt haben mag, aber sicher nicht mehr jetzt; und ich wunderte mich.
Warum denn jetzt nicht mehr, fragte ich und er antwortete, dass ich hier wohl schon lange nicht mehr gewesen sei, denn da wohne nun niemand mehr. Wie denn auch? Ist ja alles verlassen.
Aber warum ist es denn verlassen, nur weil ich etwas länger nicht mehr hier war, fragte ich, hat denn keiner auf mich gewartet?
Gewartet haben wohl viele aber auch eigentlich gar nicht so lang, nur ein paar Nächte.
Und warum nur so kurz, fragte ich, aber er antwortete nicht.
Ich verharrte und verstummte und setzte mich auf einen Stein und dachte nach.
Als ich aufschaute, war auch er weg. Alle erwachsen jetzt, denke ich.
Bin wohl doch gar nicht so wichtig, denke ich.
Jetzt bin ich allein, denke ich, doch allein war ich wohl schon vorher.
Niemand braucht mehr Sand, alle viel zu schnell erwachsen; wollen nicht mehr spielen und davon träumen, denke ich.
Und dann geht die Sonne auf und ich sehe von oben zu, vom Rand, und bin weg.
Mein eigener Sand. Sand aus Kristallen. Alles für mich.

Samstag, 1. Oktober 2011

The Tale of the Bavarian Bird - Part I (Martin)

Once upon the time, there were eleven birds flying happily around the fields, enjoying their lives.
But one of this birds was Bavarian and felt boring. Every day, they were just circling around the same corn field, occasionally picking some food.
He complained about it a lot, but the other birds wouldn't listen to him. They told him, to be happy with the convenient life they live, far from any harm.
Unsatisfied with the ignorant reaction of his fellow friends, the Bavarian bird started to separate himself from the others.
He spent many hours sitting on a power pole near the field, thinking about the adventures, waiting behind the trees containing the field.
But he couldn’t find the courage to just dive into the uncertain and fly all the way to another future.
So the Bavarian bird was stuck in his simple life, staring at the isolated field with the ten other birds floating around happily.
But as he awoke one day, the corn field seemed different. At first he was irritated, then he saw his friends advancing him furiously.
They burst with excitement, swirling around the Bavarian bird.
He felt the words shouted by his fellow birds dripping slowly in his ears.
Finally, the simple setting determining his life had changed.
Without further hesitation, he ascended and slid towards the new object in the center of the field.
It was a simple wooden table, not big and very unexciting.
But something on it broke the light and clusters of different colors kept sparkling in the Bavarian birds eyes.
He was stunned by the beautiful expressions, risen by a simple glass.
The massive form of huge glass intrigued the Bavarian bird.
It was covered with honeycombs, a simple structure, converting the jug into a sculpture.
But the most fascinating thing about this shiny new object was the substance in the glass.
Glimmering in the color of amber, it emitted an exquisite odor, penetrating the nostrils of the Bavarian bird.
Being hypnotized by the small bubbles of foam, exploding on top of the liquid, the Bavarian bird dove instantly into the glass.

Sonntag, 18. September 2011

Police Baton Solo - Vor den Argusaugen der Öffentlichkeit - (elmo)

So lang schon nix mehr gepostet, dafür jetzt was ganz neu geschriebenes.
Ein kleines Gedicht mit dem langen Namen:

 Police Baton Solo - Vor den Argusaugen der Öffentlichkeit


Pfeife herab auf dein Bein
Oh, sag nicht nein
Liebst du es etwa nicht
Ich zerschlag dir das Gesicht
C-Dur im Crescendo
Es ist mein, das Kommando

Beschädigt, benommen
Alles verschwommen
Taumel und stürze
Oh, wir beenden das in Kürze
Nie wieder stehst du auf

So virtuos lass ich mich aus
Ohne, dass ich mich verausgabe
Läuft dein Blut wie eine Zugabe
Ohja - dein Blut ist die Zugabe

Sonntag, 31. Juli 2011

Wie soll es auch anders sein? - (elmo)

 Eine mittlerweile fast drei Jahre alte Kurzgeschichte über eine schwerwiegende Entscheidung,  unabdingbare Schuld und  einen unliebsamen, rohen Neuanfang.

Wie soll es auch anders sein?

Ein alter Priester stand am Straßenrand im Müll und schrie durch sein Megaphon. Im vorbeigehen lauschte ich ihm und verstand kein Wort. Langsam ging ich weiter durch die nächtlichen Straßenschluchten, um Ecken herum, die kein Licht vorbeiließen. Aber ich war nie allein und ich blieb auch nie stehen. Langsam aber zielstrebig verschwand ich in immer kleinere Straßen.
Erst als ich mein Ziel erreichte, wurde ich langsamer und blieb dann schließlich stehen. Der in Schatten gehüllte Mann war mir von einem alten Freund empfohlen worden; er verstand angeblich sein Geschäft. Ein letzter Schritt.
Bei diesem Schritt streckte ich ihm gleichzeitig das Geld hin. Bei diesem Schritt warf ich all meine Zurückhaltung und all meine Vorsicht in den uns umschließenden Müll. Bei diesem Schritt verdammt ich mich, riss ein Stück aus mir heraus, das ich nie wieder zurückbekommen würde, und fühlte Schmerzen. Bei diesem Schritt sah ich in die offene Sporttasche mit all den Utensilien, doch ich erschrak nicht. Bei diesem Schritt verwarf ich meine Jungfräulichkeit und Unschuld in einer hoffnungslosen Zukunft.
Als alles vorbei war zitterte ich an meinem geschundenen Körper, ich hielt mich an der Mauer fest bis meine Knie nicht mehr unter dem Gewicht der Schuld nachzugeben drohten. Mein Körper war so verwirrt wie mein Geist. Schmerz und Freude übermannten mich zugleich. Aber das stärkste Gefühl war wohl Genugtuung. Darüber sich selbst besiegt zu haben und darüber nun ganz am Boden zu sein. Schlimmer konnte es selbst in dieser kaputten Welt nicht mehr werden. Auch diese Welt hatte in ihrer verwüsteten und zerrissenen Eigenheit Grenzen. Qualen konnten nicht ins unendliche gesteigert werden. Irgendwann brach der Mensch zusammen und dann war alles überstanden. Aber ich hatte es nun überstanden ohne vernichtet zu sein. Es konnte aufwärts gehen. Um weiterzumachen musste ich mich selbst umbringen und die Narben es Erfolgs würden mich nie wieder freisprechen. Schuld stand über meinen ganzen Körper geschrieben. Mit fremden Buchstaben, die doch jeder lesen konnte. Ein unwiderruflicher Schritt.
Noch ein letztes Mal atmete ich tief ein. Die Luft des Ortes, den ich nie vergessen würden könne. Luft, die nach Tod und Geburt gleichzeitig stank; ja, sie roch schwanger. Zwillinge: Unermessliches Leid und ungebremste Freude. Nur meine Freude blieb für die anderen unsichtbar. Man musste mich nicht verstehen, denn ich konnte es selbst noch nicht ganz. Aber alles gab mir das Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein: nicht auf dem rechten, aber dem richtigen für mich. Ich fing an ihn zu gehen.
Als ich nach einiger Zeit wieder an dem Priester vorbeikam, warf dieser sein Megaphon in den Dreck und lief auf mich zu. Dieses unausweichliche Gespür musste etwas mit der Berufung und totalen Widmung zu seinem Gott zu tun haben. Er packte mich an den Schultern und sagte, dass er mich wiedererkennen würde, und dass ich jetzt gebückt gehen würde. Er fragte mich, ob er sich denn nicht irren könnte, ob er vielleicht doch falsch liegen könnte, und ich sagte nichts, ich sah ihn nur an. Da fragte er mich eine Frage, die er schon viel zu oft gestellt hatte: „Hast du vom Sakrament des Teufels gekostet? Hast du deine Körpern so mit Schuld überfüllt, dass jede Berührung andere Menschen infizieren kann?“ Auch er konnte mich nicht verstehen, denn alles, was er hörte, waren die Worte: „Wie soll es auch anders sein?“
Langsam drehte ich mich weg und setzte meinen neuen Weg fort, während hinter mit ungeachtet von der weinenden Welt ein alter Priester auf die Knie sank und auch das Schluchzen anfing.

Montag, 25. Juli 2011

Walk - (The_Chornicle_of_Hektor)

You walk,
it walks.

You run,
it walks.

You turn,
it walks.

You cry,
it walks.

You stop...
it walks.

Life always goes on!



Sonntag, 17. Juli 2011

Krallenschritte - (elmo)

Krallenschritte

Krallenschritte Krallenschritte
Reißen Äste aus Baumes Mitte
Krallenschritte treten fest
Der Jugend bauen sie ein Nest
Krallenschritte treten tiefer
Auch den kleinen Mäusekiefer
Krallenschritte Krallenschritte
Viele, viele kleine Tritte

Im Zuge der Versorgung des Nachwuchses steht neben der Bereitstellung einer Behausung auch das Finden und Überbringen von Nahrung an vorderster Stelle. An dieser Stelle liegst – bald tot – du und noch warm, dienst doch nun endlich dem Leben. Leben von Vögeln, die wieder fliegen, wenn es die Kugeln nicht mehr tun.

Krallenschritte reißen klein
Was einst doch war mal dein
Krallen Krallen schneiden Schnitte
Alle bluten aus deren Mitte
Krallenschritte ins Gesicht
Was passiert, kümmert sie nicht
Krallenschritte zerreißen Lippen
Kratzen auch auf deinen Rippen
Fetzen Fetzen, Fleisch am Boden
Immer immer gleiche Methoden
Hacken, schnappen, Nahrung gut
Krallenschritte voll mit Blut
Krallenschritte Krallenschritte
Viele, viele kleine Tritte

Sonntag, 10. Juli 2011

Phönixe in Baumkronen - (elmo)

Wenn die Flammen der hoffnungstragenden Feuervögel heiß genug sind um Wasser zu verdampfen, dann müsste man doch an den tauverzierten Baumkronen, die als erste trocken sind, sehen, wo jene Wundertiere sich morgens befinden.



Phönixe in Baumkronen

Über dem Morgengelände
Wo der Tau noch frisch, frisch liegt
Ob ich in diesem Nebel fände
Was vor Sehnsucht mich fast besiegt

Dort wo jetzt nur die Sonne spielt
Auch sie einsam und noch ganz, ganz schwach
Dies genau für den Fundort hielt
Danach suchend lag ich lange wach

Wo sind jetzt diese Feuerfederträger
Boten eines neuen, neuen Anfangs
Sehet, es drohen nur noch Gräber
Dank des falsch prophezeiten Sonnenaufgangs

Montag, 4. Juli 2011

Käfig aus Glas - (WuRscHtBr0T)

Käfig aus Glas

Goldene Zinnen erdolchen die Lüfte,
Nächtliches Leuchten in Ecken gedrängt.
Des weltlichen Frevels satanische Düfte
Von göttlicher Hand in Phiolen gezwängt.

Im Zwinger des Herrn weilt ein blumiger Schein,
Dem göttlichen Spiegel der Schöpfung entsprungen.
Doch Ströme der Weisheit erfrischten das Sein,
Die Zeit hat dem Trugbild Substanz abgerungen.

Gewandelt die Mauern,
Aus Stein wurde Glas.
Beendet das Trauern
Um göttliches Maß.

Gebrochene Strahlen durchdringen die Risse,
Im Käfig aus Glas, wo der Glanz triumphiert.
Gelichtet der Nebel, zerstört die Kulisse,
Vereinzelte Seelen von Einsicht frappiert:

"Der Weg führt vorbei an der geistlichen Macht,
Vergangene Zeiten im Schatten begraben.
Die Freiheit eröffnet uns all ihre Pracht,
So schmückt ihren Ruf mit den Federn des Raben."

Den Käfig umklammert mit furchtsamen Händen,
Erdrückende Angst erzeugt Sprünge im Glas.
Die wissenden Jünger entfliehen den Wänden,
Die ureinst erbaute das gierige Aas.

Märchen über den Mann mit den sanften Händen - (elmo)

So hier nun auch wieder etwas von mir: Ein Märchen aus anderen Tagen. Und wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, gibt es am Ende sogar eine Moral. Mehr möchte ich auch gar nicht vorwegnehmen.

Märchen über den Mann mit den sanften Händen

Bei uns am Hofe gab es einst einen Mann, der für seine unglaublichen Hände bekannt war. Diese Hände zeichneten sich durch ihre unbeschreibliche Weichheit aus und waren über das hinaus noch sehr wohlgeformt. Dies führte dazu, dass er nie etwas zu Arbeiten lernte, da er immer nur seine Hände schonen musste. Unsere Gräfin, ihres Zeichens eine noch nicht sehr alte Witwe aus höchstem Adel, denn ihr Mann war in den 30-jährigen Krieg hineingeboren worden und auch dort gefallen, war sehr in die Hände verliebt. So geschah es, dass der Mann mit den schönen Händen jeden Morgen die Gräfin an beiden Händen fassen musste und sie an diesen aus dem Bette ziehen musste, und Abends musste er sie zu Bette geleiten und drei Mal die Hände schütteln, ganz langsam natürlich, und sobald sie lag, sie zudecken und ihr noch einmal über die Wange streicheln. Auch tagsüber wurde er oft gerufen damit die Gräfin die Lieblichkeit seiner Hände genießen konnte. Wenn Gäste kamen und von genug hohem Adelsstand waren oder enorm reich waren, wurde er auch sogleich gerufen, denn er musste die Gäste empfangen und jedem die Hand geben. So war jeder Gast gleich wohlgestimmt.
Doch der Mann mit den sanften Händen wurde sonst nicht sehr gut behandelt, so bekam er zwar genug Essen, aber jeder behandelte ihn wie einen Aussätzigen, denn es war dem normalen Volke verboten auch nur einen Blick auf seine Hände zu erhaschen. Zudem war ihm klar, dass die Gräfin niemals ihn selbst sehen würde, sondern nur seine wunderbaren Hände.
Und so beschloss er eines Tages zu verschwinden, und nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ihn kleine Kinder mit Steinen beworfen hatten, packte er am in der Nacht das Nötigste zusammen und verschwand beim ersten Morgengrauen. So wanderte er einige Wochen ganz alleine und sehr glücklich umher, lebte von seinen eingepackten Vorräten und dem Geld was er sich zusammengespart hatte, denn er hatte oft den einen oder anderen Taler von einem wohlgesonntem Gast unseres Hofes zugesteckt bekommen. Doch irgendwann wurden die Taschen des Mannes sehr leer und er bekam schrecklichen Hunger, so schrecklich, dass er sogar in Erwägung zog wieder an unseren Hof zurückzukehren. Aber er blieb stur, und nach zwei weiteren Tagen ohne essen kam er an einen Jahrmarkt und dort sah er seine Chance.
Auf diesem Jahrmarkt, welcher voll von unterschiedlichsten Ausstellern und Künstlern war und wo es allgemein sehr viel zu sehen gab, stellte er sich in eine Lücke zwischen zwei Stände und ließ sich die Hände schütteln, das ganze für ein paar Pfennige. Zuerst kam natürlich niemand, denn wer wollte schon sein weniges Geld für Händeschütteln ausgeben, aber nach und nach kamen die Leute. Dann wurden es immer mehr, weil es sich herumgesprochen hatte, was für wunderbare Hände dieser Mann besaß. Es gab bald eine riesige Menschentraube vor ihm.
Am Abend hatte er soviel Geld in den Taschen, wie nie zu vor und war sehr glücklich. Als er gerade zusammenpackte, stand da auch einmal ein sehr großer bärtiger Mann und erschreckt ihn mit seiner Präsenz sehr. Dieser Mann war weithin bekannt als der Mann, der Hände sammelte, und er besaß eine sehr große Sammlung, die er immer in einem großen, derben Sack über seine Schulter geworfen mit sich umher trug.
Nach einem gar nicht all zu langem Gespräch fanden beide eine für sie ansprechende Lösung und als sie sich für immer voneinander trennten, hatte der Mann, der dafür bekannt war dass er Hände sammelte, die zwei sanftesten Hände der Lande bei sich; in jeder Manteltasche eine, so dass er beide gleichzeitig bei jeden Wetter unterwegs genießen konnte. Der andere Mann, welcher bis dahin bekannt war für seine sanften und wohlgeformten Hände, hatte nun einen riesigen Sack voller Hände und suchte sich so gleich passende aus den über 50 Paar aus.
Nach kurzer Zeit mussten jedoch beide feststellen, dass es keine gute Idee war zu tauschen, denn der Mann, der weithin dafür bekannt war, dass er eine große Händesammlung besaß, hatte nun keine mehr und wusste nur zu gut, dass die zwei sanften, großartigen Hände nun getrennt von ihrem früheren Besitzer nicht lange so bleiben würden. Und der andere Mann, der so stolz auf seine großartigen Hände - denn sie waren wohl tatsächlich die besten Hände, die es Jahrzehnte lang geben sollte - war unglücklich, denn er war nun in seinen Augen nichts Besonderes mehr und die vielen Hände, die er besaß, wollten ihm weder richtig passen, noch konnten sie ihn wirklich glücklich machen.
So lasset nun gesagt sein, achtet euch vor zu schnellen Entscheidungen voller spontaner Begehrlichkeit; vor allem bei Dingen, die euch sehr am Herzen liegen oder euch gar ausmachen, denn sonst könnte es auch euch ähnlich ergehen, wie diesen zwei armen Männern.

Sonntag, 3. Juli 2011

Der Funke - (The_Chornicle_of_Hektor)

Mit diesem Post werd ich mich für die nächsten drei Wochen erstmal absent melden. (Prüfungszeit)
Hier zwei ältere Werke:

Der Funke

Hast du schon einmal bemerkt wie wunderbar so ein kleiner Funke ist? Ein so kurzes Leben und es bleiben nur Sekunden um seine gesamte Schönheit zu entfalten. Diese Schönheit geht manchmal soweit, dass Menschen stehen bleiben um dem kurzen Leben des Funken beizuwohnen. Wenn sich dann sogar eine Gruppe Funken von dem Feuer löst und gegen den Himmel schwebt, könnte man fast meinen Teile des Himmels kehren zu ihrem Ursprung zurück. Doch in der selben Zeit, kann sich diese Schönheit in eine Brunst verwandeln, die Dörfer, Städte und ganze Wälder vernichtet. Manchmal geht die größte Schönheit Hand in Hand mit der größten Gefahr.


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A little sparkle so little and bright,
jump from the fire into the night.
A little sparkle jumps into the night,
so beautiful, so little, so bright,
and disappears not even with plop.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Morgenrot, Kapitel 1 - (Martin)

Ein Schwall aus Schweiß und Rauch bricht dem Mann wie eine Flutwelle beim Öffnen der Türe entgegen. Ungerührt tritt er ein und schließt. Sofort herrscht Hektik in der Luft, ein Wirrwarr aus Stimmen, Zigarettenrauch und Alkoholdünsten wirbelt durch das große, doch wenig geräumige Zimmer. Wieder verharrt der Mann, als müsse er die Szene in sich aufsaugen, einer Kamera gleich, jeden Bildpunkt speichernd. Sein verhüllter Blick streift durch den Raum, schlängelt sich durch Tische und Stühle, um die Hüften der Bedienungen entlang, um schließlich an einem ungemütlich wirkenden Barhocker hängen zu bleiben. Fuß vor Fuß durchquert er den Raum, unbehelligt, unbemerkt. Er legt seinen schwarzen Hut achtlos auf den schmutzigen Tresen, rückt kurz seinen Anzug zurecht und setzt sich. Seine blitzenden Augen erfassen sofort den Wirt dieses gottverlassenen Lokals. Der etwas dickliche, für Wirte schickt sich ein gewisser Bauchansatz, mürrisch blickende Mann bewegt sich auf den neuen Gast langsam zu, also wolle er das Unwillkommensein körperlich manifestieren. „Sie habe ich hier noch nie gesehen. Neu in der Gegend?“, brummt der Wirt mit östlichem Akzent.
Der Gast grinst leicht, seine Züge haben etwas katzen- oder besser schlangenhaftes. „Nicht ganz, ich war bereits einmal hier, doch das ist lange her.“
Der Wirt runzelt die Stirn bei dieser Bemerkung, der Neuling scheint nicht älter als dreißig zu sein. Eine ungewöhnliche Klientel für seine Bar, angespannt stützt er sich auf der Tresenkante vor dem Zapfhahn auf. „Was darf es denn sein?“, fragt er schließlich, neues Geld ist kein schlechtes Geld.
„Zum Einstieg einen Whiskey.“, lautet die schlichte Antwort des Sonderlings.
Der Wirt nickt, reibt sich seine Hände an der Schürze ab, die seinen Bauch wohl etwas kaschieren soll und fischt ein Glas aus schaumigem Spülwasser. Er lässt dabei den Fremden nicht aus den Augen, dieser blickt sich interessiert in der Bar um. „Ist leider kein Platz mehr frei, ziemlicher Betrieb heute.“, sagt der Wirt, als er das Glas hinstellt.
Der Gast grinst abermals. „Mir ist jede Gesellschaft recht. Mein Name ist Eril Zuf, aber nennen sie mich einfach Eril. Ihre Bar ist ein sehr interessanter Ort.“, fängt er ein Gespräch an.
Der Wirt seufzt. Er kennt solche Typen zu genüge, sie kommen her, saufen sich die Hucke voll und spucken ihm ihre Probleme ins Gesicht. Als Barkeeper hört er natürlich brav zu, serviert Drink für Drink und begleitet die Gestalten wieder hinaus, sobald sie vollgetankt sind, ihre Lebensgeschichte sofort wieder vergessend. Obwohl es lukrativ ist, zehrt dieses Prozedere sehr an den Nerven des nun doch schon Siebenundfünfzigjährigen. Wie gerne hätte er jemanden, dem er sein Herz ausschütten könne, denn seine Probleme waren größer als die meisten seiner Kunden.
Verblüfft stellt der Wirt fest, dass sein neuer Kunde während dieser trübseligen Gedanken geschwiegen hat, ihn mit einem unaufdringlichen Lächeln anstarrend und doch scheinbar lauernd, fordernd. Der Dicke räuspert sich verlegen.
„Nun hätte ich gerne einen Swimming Pool, haben sie derart?“, sagt Eril mit einer sanften, aber doch festen Stimme.
Verwirrt starrt der Wirt das kleine leere Glas an. Er kann sich nicht erinnern, ihn trinken gesehen zu haben. „Natürlich.“, murmelt er und macht sich benommen ans Mixen.
Eril trommelt leise mit dem Finger auf dem Tresen herum, völlig ohne Ungeduld, allein der Beschäftigung willen, während er sich abermals in der Bar umsieht. Er betrachtet die vollen Tische, die einzelnen Leute, die daran sitzen, ihre Getränke, ihre Gesichter, ihre Gestik. „Ist diese Bar immer so voll?“, wirft er schließlich in den Raum, ohne sich direkt an den Wirt zu wenden.
Irritiert antwortet dieser, während er einen Shaker in der Luft herumwirbelt: „Nun, ich kann nicht klagen. Heute sind natürlich besonders viele Gäste hier, aber eigentlich ist es jeden Abend mehr oder weniger so.“
Eril nickt im Gedanken versunken und nimmt seinen Cocktail entgegen. „Wissen sie, was diese Menschen hier wollen?“, fragt er.
Der Wirt runzelt die Stirn. „Nun, sie suchen Gesellschaft, wollen ihrem Alltag entflüchten und einfach die freie Zeit genießen.“
Eril grinst und blickt nun seinem Gegenüber das erste Mal direkt in die Augen. Ein kalter Schauer läuft diesem über den Rücken, als er Erils fast schon rote Iris anschaut, ja beinahe darin zu versinken droht, so intensiv und ungewöhnlich ist diese Farbe. Schweißperlen laufen dem alten Mann über sein etwas aufgequollenes Gesicht. Eril grinst. Sein Gesicht hat markante Züge und doch ist es erstaunlich gutaussehend, seine ganze Gestalt hat eine etwas erhabene Präsenz, nicht überheblich, doch seiner Klasse bewusst.
„So kann man dies sehen, gewiss.“, sagt er lauernd, „Meine Überzeugung ist allerdings, dass alle Menschen in diesem Raum nur aus einem Grund hier sind.“
Die theatralische Pause erzielt seine gewünschte Wirkung und nagt an der Geduld des Wirtes. „Sie warten auf den Sonnenaufgang. Sie mögen oberflächliche Gründe vorschieben, ihr Laden ist wirklich sehr nett, doch im Grunde warten sie nur auf den nächsten Morgen, damit der nächste Tag in ihren elenden Leben weiter gehen kann.“
Dem Wirt wird diese Unterhaltung immer unangenehmer. Er räuspert sich abermals. Heilfroh erblickt er einen anderen Gast auf seinen Tresen zuwanken. Hastig bewegt er sich auf ihn zu, wirft Eril vorher noch eine entschuldigende Geste entgegen und nimmt die Bestellung auf. Er zapft zwei Biere, reicht sie dem Betrunkenen und ist wieder mit dem seltsamen Fremdling alleine. Das Glas ist wieder leer und so stapft der Wirt mürrisch zu Eril hinüber.
„Was können sie mir denn heute empfehlen?“, sagt dieser beinahe beiläufig.
Der Wirt stutz die Augenbrauen, räumt das leere Glas ab und blickt seinen Spirituosenschrank entlang. Er muss etwas finden, was ihm diesen Kerl vom Leib hält. „Ich mache einen guten Zombie.“, antwortet er schließlich etwas ratlos.
Eril faltet die Hände ineinander und lächelt. „Dann bringen sie mir einen Zombie.“
Mit einem flauen Gefühl im Magen mixt der Barkeeper, etwas mehr Alkohol als sonst hinzufügend. Eril betrachtet dieses Schauspiel, seine Augen lassen das Glas nicht aus dem Blick. Eine halbe Zitrone ziert den fertigen Drink. Erwartungsvoll blickt der Wirt seinen Gast an, doch dieser macht immer noch keine Anstalten zu trinken.
Stattdessen fängt er wieder an zu reden: „Sie scheinen ihr Handwerk wirklich zu verstehen. Dieser Zombie ist ziemlich stark nicht? Nicht das es mir etwas ausmachen würde, doch ich frage mich, welche Klientel sie stets bedienen müssen und ob sie ihre Bedürfnisse in eine bestimmte Richtung lenken. Sie sind doch hier der Herr im Hause.“, ein breites Grinsen flieht über seine Züge, theatralisch breitet er die Arme aus, „Sie müssen ein glücklicher Mensch sein, so viele fremde Gesichter zu erblicken, jedes einzelne eine andere Geschichte erzählend. Denken sie, sie können ihr Leid wenigstens etwas lindern?“
Der Wirt starrt aus leeren Augen in Erils erwartungsvolles Gesicht. Das Mondgesicht strahlt Verwirrung aus, die Gedanken zeichnen sich dort wie Krater ab. „Nun...“, versucht er zu beginnen, „Ich biete hier nur eine Dienstleistung an, keiner wird hier gezwungen zu Trinken. Wer zu viel hat, dem serviere ich nichts mehr. Natürlich versuchen die meisten hier dem Alltag zu entfliehen und darin sehe ich nichts schlechtes.“ Er ist stolz auf seine Antwort, er meint dies stelle den hungrigen Fremden endlich zufrieden.
Eril spielt scheinbar gelangweilt mit dem Strohhalm in seinem Glas und fixiert immer noch den ratlosen Wirt.
„Eine pauschale Antwort, sehr geschickt. Ihnen kann ich wohl keine konkreten Aussagen entlocken, oder? Sie sind hier natürlich auch nicht in einem Verhör, deshalb brauchen sie sich nicht zu rechtfertigen. Und doch frage ich sie diese Dinge, weil ich ihnen helfen möchte.“, fügt er grinsend hinzu.
Unwillkürlich weicht der Wirt einen Schritt zurück und stößt beinahe an sein Spirituosenregal. Ihm schnürt sich die Kehle zusammen, er scheint schwer Luft zu bekommen.
Und abermals ergreift der Fremde das Wort: „Denn ist nicht das Gesicht seines Gegenübers der beste Spiegel?“
Die Worte hallen durch den Kopf des Wirtes, unwirklich, verzerrt, wiederholend. Er fasst sich an die Brust, Schmerz fährt durch sein altes Herz, etwas drückt schwer auf seinem Brustkorb. Dieser Mann ist des Teufels, denkt er sich. Panisch blickt er sich in seiner Bar um. Und wie durch Vorhersehung entdeckt er einen leeren Tisch.
Er räuspert sich, versucht den Klos aus seinem Hals zu vertreiben und sagt mit kaum verständlicher Stimme: „Mein Herr, dort drüben ist ein Tisch frei geworden. So sehr ich ihre Gesellschaft auch genieße, bin ich mir sicher, dass sie doch etwas Komfort genießen wollen.“ Eril folgt dem Blick des Wirtes. Tatsächlich steht dort ein kleiner, gemütlicher Tisch mit zwei Stühlen inmitten des Chaos. „Vielen Dank, dann werde ich mich dort hinüber begeben. Es war mir eine Freunde, dieses Gespräch zu führen.“, sagt er mit einem Grinsen an den Wirt gerichtet. Er greift in seine Jackentasche, zieht einen fünfzig Euro Schein heraus und legt ihn auf den Tresen.
„Den Rest dürfen sie behalten.“, sagt er mit einer Spur Arroganz. Der seltsame Fremde nimmt seinen Hut und begibt sich an den Tisch. Beinahe erschrocken stellt der Wirt fest, dass das Glas wieder wie von Geisterhand geleert wurde.