Donnerstag, 17. November 2011

High Noon mit roten Augen in Grau - (elmo)

High Noon mit roten Augen in Grau

Hier ist ein Mann, er ist dünn und schwach. Keine Kraft mehr in dem Körper, der in nicht mehr als ein zerschlissenes Hemd und eine schmutzige Hose gehüllt ist. Unmöglich zu sagen, welche Farben die Klamotten einst hatten. Alles verblasst, so wie seine Lebenskraft. Hier ist ein Mann, der schon langer Zeit begonnen hat zu sterben. Hier ist ein Mann, der gar nicht mehr richtig hier ist.
Er sitzt auf dem Boden einer windstillen, staubigen Straße, die noch in Jahrzenten keinen Asphalt gesehen haben wird. Er sitzt an ihrem Rand und lehnt sich an einen kaputten Holzzaun. Neben ihm Scherben einer zerbrochenen Flasche, deren Hals er immer noch fest in seiner linken Hand hält. In seiner Rechten hält er nichts. Das ist sein Dasein.
Um ihn herum sind locker gesetzt Häuser, aufgebaut aus dem nichts und dahin werden sie auch verschwinden. So wie alles in dieser kleinen Stadt, falls das nicht sowieso ein zu großes Wort für das hier ist. Alles was bleiben wird ist die Straße. Die Straße auf der in korrekten zeitlichen Proportionen Männer ihr Leben ganz ohne Würde in ehrenhaften Duellen verlieren. High Noon und meistens Bauchschüsse. Qualvolle Tode. Gelegentlich schaffen sie es noch sich bis an den Rand zu ziehen, nur um dann da zu krepieren. Da liegen sie dann bis sie so sehr stinken, dass sie irgendjemand entfernt.
Alles vor den Augen unseres Mannes, der gar nicht hinsieht. Die Augen starr auf die Geschehnisse gerichtet ohne auch nur irgendetwas zu sehen. Er sitzt dort am Boden wie ein Mahnmal für alles, was dort geschehen ist und noch kommen wird. All der Schmerz und die wenige Freude. Zeitlos sitzt er wie ein steinerner Wächter und wartet auf seine Ablösung. Die Augen voll Sand, rot und trocken. Willenlos wie der Fotoapparat etwa 150m von ihm entfernt. Der Fotoapparat des Bürgermeisters, der darauf so stolz ist. Bald wird er sterben er und man merkt es erst drei Tage später, als er nicht zur Messe erscheint. Als man sein Haus nach der Beerdigung durchsucht, findet man einen Grabstein mit seinem Namen drauf, aber stellt ihn nicht auf. Wenn man wüsste, wo man suchen müsste, würde man noch lange den Stein unter viel Sand finden können. Wie ein Grundstein trägt er ein Stück Geschichte in die Zukunft, nur dass nie jemand unter ihm lag und ihn so seiner Bedeutung beraubt.
Dafür gibt es etwas in dieser Stadt, worunter schon viele lagen. Sie ist die einzige Prostituierte in dieser Stadt und war nicht mal in ihrer Jugend schön. Das einzige was verhinderte, dass sie fettleibig und völlig unförmig wurde, war der andauernde Essensmangel. Bald beginnt sie ihre Freier immer ein wenig zu beklauen, gerade genug zusammenzubekommen um wegzureißen und nie wieder zu kommen. Ihr großer Traum. Als ein Stammkunde das bemerkt erschießt er sie mit einem Revolver.
Einen Revolver findet auch unser entseelter Mann plötzlich neben seiner rechten Hand im Sand liegen. Langsam, als sei er sich nicht sicher ob der Revolver echt wäre, greift er nach ihm, die rotgrauen Augen bewegen sich, scheinen weniger grau und betrachten lang das Fundstück. Er scheint alt und nicht geölt, das Holz am Griff hat Sprünge und die Holzstückchen sprießen spröde hervor. Aus der Kirche hört man die Glocke zwölfmal spröde klingen. Er richtet sich langsam auf, in dem er sich an dem Zaun hochzieht. Lässt seinen Flaschenhals zurück und geht ganz vorsichtig in die Mitte der Straße. Dort hält er sich die Waffe an den Kopf und drückt hab. Nichts passiert. Langsam schaut er sich um, niemand hat ihn bemerkt. Er lässt die Waffe in der Mitte der Straße in den staubigen Sand fallen und geht schwach zurück zu seinem Zaun. Dort lässt er sich wieder nieder neben seinem Flaschenhals und die Augen richten sich wieder stumpf gerade aus. Sie scheinen nun noch etwas grauer und leerer als zuvor.

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