Montag, 13. April 2015

Selbstfindung (Mart)



Mit melancholischem Blick starre ich auf die einfache Kartonschachtel vor mir. Allmählich mischt sich eine Spur von Zorn in meine Trauer, eine bittere Mixtur, die mich schwer schlucken lässt.
Ist das wirklich alles, was mein Vater mir gelassen hat?
Auch wenn ich mir keine Reichtümer erhofft habe, so lebte der alte Mann doch erfüllte Zeiten, während ich mich mühsam durch mein Leben schleppte.
Ich mir die letzten Worte, die wir gewechselt hatten, nicht mehr ins Gedächtnis rufen.  Dichter Nebel schleicht durch meine Erinnerungen, lässt meine Gedanken im Kreise laufen.
Mit einem Seufzer schüttele ich mich und greife nach dem Deckel.  Leichter Staub tanzt wirbeln in der Luft, aufgeschreckt durch mein ruckartiges Öffnen der Schachtel.
Ich kann ein Husten unterdrücken und luge in mein Erbe. Einsam und verlassen liegt ein deformierter Teddybär darin.
Mit runzelnder Stirn greife ich nach dem Plüschtier und betrachte es vor meinen ungläubigen Augen.
Mir scheint ein leichter Schlag durch  meine Glieder zu fahren, als meine Fingerspitzen das weiche Fell streifen.
Eine unangenehme Schwärze flackert vor meinen Augen auf, meine Sinne trüben sich, samtiger Flaum kriecht über meine Zunge.
Schrille Töne lassen mich zusammenzucken, ich halte mir die Ohren zu, presse meine Hände fest dagegen, als will ich etwas an der Flucht hindern.
Bilder blitzen auf meiner Hornhaut auf, brennen sich ein. Schnappschüsse vergangener Zeiten, die ich weit aus meinem Bewusstsein gedrängt hatte.
Ich finde mich auf den Knien weiter, schwer keuchend, immer noch orientierungslos.
Der Teddybär ist in meiner Hand, doch ich fühle Nässe, eine klebrige Substanz kriecht meine Finger entlang.
Kein Schrei entflieht meiner Kehler, in stummer Pein starre ich in die Glasaugen des Boten aus der Vergangenheit.
Der Nebel in meinen Gedanken lichtet sich, doch was sich offenbart, raubt mir den Atem.
Eine Erinnerung, nicht vergessen, sondern verdrängt, erhebt sich vor mir, steigt aus diesem unscheinbaren Kinderspielzeug und fährt wieder in meine Glieder.
Jetzt ist kein Mann mit Brille und weißer Weste an meiner Seite, keine sanfte Stimme, die mir versichert, dass alles besser werde.
Ich bin wieder allein, allein mit mir selbst, im Zwiegespräch, das Selbst aus meiner Vergangenheit begrüßt mich erneut.
Der Bär liegt wieder in dem Karton, ich schließe den Deckel.
Doch dieses Mal bin ich es, der aus glasigen Augen in die braune Dunkelheit starrt.