Mittwoch, 29. Juni 2011

Morgenrot, Kapitel 1 - (Martin)

Ein Schwall aus Schweiß und Rauch bricht dem Mann wie eine Flutwelle beim Öffnen der Türe entgegen. Ungerührt tritt er ein und schließt. Sofort herrscht Hektik in der Luft, ein Wirrwarr aus Stimmen, Zigarettenrauch und Alkoholdünsten wirbelt durch das große, doch wenig geräumige Zimmer. Wieder verharrt der Mann, als müsse er die Szene in sich aufsaugen, einer Kamera gleich, jeden Bildpunkt speichernd. Sein verhüllter Blick streift durch den Raum, schlängelt sich durch Tische und Stühle, um die Hüften der Bedienungen entlang, um schließlich an einem ungemütlich wirkenden Barhocker hängen zu bleiben. Fuß vor Fuß durchquert er den Raum, unbehelligt, unbemerkt. Er legt seinen schwarzen Hut achtlos auf den schmutzigen Tresen, rückt kurz seinen Anzug zurecht und setzt sich. Seine blitzenden Augen erfassen sofort den Wirt dieses gottverlassenen Lokals. Der etwas dickliche, für Wirte schickt sich ein gewisser Bauchansatz, mürrisch blickende Mann bewegt sich auf den neuen Gast langsam zu, also wolle er das Unwillkommensein körperlich manifestieren. „Sie habe ich hier noch nie gesehen. Neu in der Gegend?“, brummt der Wirt mit östlichem Akzent.
Der Gast grinst leicht, seine Züge haben etwas katzen- oder besser schlangenhaftes. „Nicht ganz, ich war bereits einmal hier, doch das ist lange her.“
Der Wirt runzelt die Stirn bei dieser Bemerkung, der Neuling scheint nicht älter als dreißig zu sein. Eine ungewöhnliche Klientel für seine Bar, angespannt stützt er sich auf der Tresenkante vor dem Zapfhahn auf. „Was darf es denn sein?“, fragt er schließlich, neues Geld ist kein schlechtes Geld.
„Zum Einstieg einen Whiskey.“, lautet die schlichte Antwort des Sonderlings.
Der Wirt nickt, reibt sich seine Hände an der Schürze ab, die seinen Bauch wohl etwas kaschieren soll und fischt ein Glas aus schaumigem Spülwasser. Er lässt dabei den Fremden nicht aus den Augen, dieser blickt sich interessiert in der Bar um. „Ist leider kein Platz mehr frei, ziemlicher Betrieb heute.“, sagt der Wirt, als er das Glas hinstellt.
Der Gast grinst abermals. „Mir ist jede Gesellschaft recht. Mein Name ist Eril Zuf, aber nennen sie mich einfach Eril. Ihre Bar ist ein sehr interessanter Ort.“, fängt er ein Gespräch an.
Der Wirt seufzt. Er kennt solche Typen zu genüge, sie kommen her, saufen sich die Hucke voll und spucken ihm ihre Probleme ins Gesicht. Als Barkeeper hört er natürlich brav zu, serviert Drink für Drink und begleitet die Gestalten wieder hinaus, sobald sie vollgetankt sind, ihre Lebensgeschichte sofort wieder vergessend. Obwohl es lukrativ ist, zehrt dieses Prozedere sehr an den Nerven des nun doch schon Siebenundfünfzigjährigen. Wie gerne hätte er jemanden, dem er sein Herz ausschütten könne, denn seine Probleme waren größer als die meisten seiner Kunden.
Verblüfft stellt der Wirt fest, dass sein neuer Kunde während dieser trübseligen Gedanken geschwiegen hat, ihn mit einem unaufdringlichen Lächeln anstarrend und doch scheinbar lauernd, fordernd. Der Dicke räuspert sich verlegen.
„Nun hätte ich gerne einen Swimming Pool, haben sie derart?“, sagt Eril mit einer sanften, aber doch festen Stimme.
Verwirrt starrt der Wirt das kleine leere Glas an. Er kann sich nicht erinnern, ihn trinken gesehen zu haben. „Natürlich.“, murmelt er und macht sich benommen ans Mixen.
Eril trommelt leise mit dem Finger auf dem Tresen herum, völlig ohne Ungeduld, allein der Beschäftigung willen, während er sich abermals in der Bar umsieht. Er betrachtet die vollen Tische, die einzelnen Leute, die daran sitzen, ihre Getränke, ihre Gesichter, ihre Gestik. „Ist diese Bar immer so voll?“, wirft er schließlich in den Raum, ohne sich direkt an den Wirt zu wenden.
Irritiert antwortet dieser, während er einen Shaker in der Luft herumwirbelt: „Nun, ich kann nicht klagen. Heute sind natürlich besonders viele Gäste hier, aber eigentlich ist es jeden Abend mehr oder weniger so.“
Eril nickt im Gedanken versunken und nimmt seinen Cocktail entgegen. „Wissen sie, was diese Menschen hier wollen?“, fragt er.
Der Wirt runzelt die Stirn. „Nun, sie suchen Gesellschaft, wollen ihrem Alltag entflüchten und einfach die freie Zeit genießen.“
Eril grinst und blickt nun seinem Gegenüber das erste Mal direkt in die Augen. Ein kalter Schauer läuft diesem über den Rücken, als er Erils fast schon rote Iris anschaut, ja beinahe darin zu versinken droht, so intensiv und ungewöhnlich ist diese Farbe. Schweißperlen laufen dem alten Mann über sein etwas aufgequollenes Gesicht. Eril grinst. Sein Gesicht hat markante Züge und doch ist es erstaunlich gutaussehend, seine ganze Gestalt hat eine etwas erhabene Präsenz, nicht überheblich, doch seiner Klasse bewusst.
„So kann man dies sehen, gewiss.“, sagt er lauernd, „Meine Überzeugung ist allerdings, dass alle Menschen in diesem Raum nur aus einem Grund hier sind.“
Die theatralische Pause erzielt seine gewünschte Wirkung und nagt an der Geduld des Wirtes. „Sie warten auf den Sonnenaufgang. Sie mögen oberflächliche Gründe vorschieben, ihr Laden ist wirklich sehr nett, doch im Grunde warten sie nur auf den nächsten Morgen, damit der nächste Tag in ihren elenden Leben weiter gehen kann.“
Dem Wirt wird diese Unterhaltung immer unangenehmer. Er räuspert sich abermals. Heilfroh erblickt er einen anderen Gast auf seinen Tresen zuwanken. Hastig bewegt er sich auf ihn zu, wirft Eril vorher noch eine entschuldigende Geste entgegen und nimmt die Bestellung auf. Er zapft zwei Biere, reicht sie dem Betrunkenen und ist wieder mit dem seltsamen Fremdling alleine. Das Glas ist wieder leer und so stapft der Wirt mürrisch zu Eril hinüber.
„Was können sie mir denn heute empfehlen?“, sagt dieser beinahe beiläufig.
Der Wirt stutz die Augenbrauen, räumt das leere Glas ab und blickt seinen Spirituosenschrank entlang. Er muss etwas finden, was ihm diesen Kerl vom Leib hält. „Ich mache einen guten Zombie.“, antwortet er schließlich etwas ratlos.
Eril faltet die Hände ineinander und lächelt. „Dann bringen sie mir einen Zombie.“
Mit einem flauen Gefühl im Magen mixt der Barkeeper, etwas mehr Alkohol als sonst hinzufügend. Eril betrachtet dieses Schauspiel, seine Augen lassen das Glas nicht aus dem Blick. Eine halbe Zitrone ziert den fertigen Drink. Erwartungsvoll blickt der Wirt seinen Gast an, doch dieser macht immer noch keine Anstalten zu trinken.
Stattdessen fängt er wieder an zu reden: „Sie scheinen ihr Handwerk wirklich zu verstehen. Dieser Zombie ist ziemlich stark nicht? Nicht das es mir etwas ausmachen würde, doch ich frage mich, welche Klientel sie stets bedienen müssen und ob sie ihre Bedürfnisse in eine bestimmte Richtung lenken. Sie sind doch hier der Herr im Hause.“, ein breites Grinsen flieht über seine Züge, theatralisch breitet er die Arme aus, „Sie müssen ein glücklicher Mensch sein, so viele fremde Gesichter zu erblicken, jedes einzelne eine andere Geschichte erzählend. Denken sie, sie können ihr Leid wenigstens etwas lindern?“
Der Wirt starrt aus leeren Augen in Erils erwartungsvolles Gesicht. Das Mondgesicht strahlt Verwirrung aus, die Gedanken zeichnen sich dort wie Krater ab. „Nun...“, versucht er zu beginnen, „Ich biete hier nur eine Dienstleistung an, keiner wird hier gezwungen zu Trinken. Wer zu viel hat, dem serviere ich nichts mehr. Natürlich versuchen die meisten hier dem Alltag zu entfliehen und darin sehe ich nichts schlechtes.“ Er ist stolz auf seine Antwort, er meint dies stelle den hungrigen Fremden endlich zufrieden.
Eril spielt scheinbar gelangweilt mit dem Strohhalm in seinem Glas und fixiert immer noch den ratlosen Wirt.
„Eine pauschale Antwort, sehr geschickt. Ihnen kann ich wohl keine konkreten Aussagen entlocken, oder? Sie sind hier natürlich auch nicht in einem Verhör, deshalb brauchen sie sich nicht zu rechtfertigen. Und doch frage ich sie diese Dinge, weil ich ihnen helfen möchte.“, fügt er grinsend hinzu.
Unwillkürlich weicht der Wirt einen Schritt zurück und stößt beinahe an sein Spirituosenregal. Ihm schnürt sich die Kehle zusammen, er scheint schwer Luft zu bekommen.
Und abermals ergreift der Fremde das Wort: „Denn ist nicht das Gesicht seines Gegenübers der beste Spiegel?“
Die Worte hallen durch den Kopf des Wirtes, unwirklich, verzerrt, wiederholend. Er fasst sich an die Brust, Schmerz fährt durch sein altes Herz, etwas drückt schwer auf seinem Brustkorb. Dieser Mann ist des Teufels, denkt er sich. Panisch blickt er sich in seiner Bar um. Und wie durch Vorhersehung entdeckt er einen leeren Tisch.
Er räuspert sich, versucht den Klos aus seinem Hals zu vertreiben und sagt mit kaum verständlicher Stimme: „Mein Herr, dort drüben ist ein Tisch frei geworden. So sehr ich ihre Gesellschaft auch genieße, bin ich mir sicher, dass sie doch etwas Komfort genießen wollen.“ Eril folgt dem Blick des Wirtes. Tatsächlich steht dort ein kleiner, gemütlicher Tisch mit zwei Stühlen inmitten des Chaos. „Vielen Dank, dann werde ich mich dort hinüber begeben. Es war mir eine Freunde, dieses Gespräch zu führen.“, sagt er mit einem Grinsen an den Wirt gerichtet. Er greift in seine Jackentasche, zieht einen fünfzig Euro Schein heraus und legt ihn auf den Tresen.
„Den Rest dürfen sie behalten.“, sagt er mit einer Spur Arroganz. Der seltsame Fremde nimmt seinen Hut und begibt sich an den Tisch. Beinahe erschrocken stellt der Wirt fest, dass das Glas wieder wie von Geisterhand geleert wurde.

Samstag, 25. Juni 2011

Kurzes Leben und anderes (elmo)

Heute möchte ich neben einem kleinen Gedicht, welches ich vor ein paar Jahren geschrieben habe, auch einen Dank an meinen Vater hier loswerden, denn die zwei schönen Bilder, die diesen Blog begleiten, hat er gemalt. Nicht extra dafür aber dennoch wunderbar. Das bunte Bild, welches http://gloria-defectus.de/ schmückt, hängt sogar bei mir im Zimmer.









 Kurzes Leben

Aus Knospen wachsen Arm und Bein
das wird doch wohl kein Menschlein sein?
Monat für Monat wächst es dahin
und endlich erklingt auch seine Stimm'!
Viel Freude bringt es Frau und Mann,
fängt es doch bald das Schreien an.
Doch tut es dies einmal nicht,
steigt jedem Sorge ins Gesicht.
Was ist denn los, ist er schon tot?
Warum ist er blau, warum so rot?
Die Frauen schrei'n, Männer schweigen,
Engel tanzen Todesreigen.
Dann ist Ruhe und dann ist Schluss,
Menschen sterben auch ohne Schuss.
Bitt're Tränen fließen, Weinen
und And're stehen nur - Schweigen.
Wo ist all die Freude nun?
Was kann man dagegen tun?
Verdrängen, trinken und verstummen,
nicht d'rüber reden tun die Dummen.
Ein Leben so kurz und schon vorbei,
Doch niemandem ist dies einerlei.
Und das zu recht, wenn man mich fragt,
hier hätte nichtmal ich gewagt,
nur Lachen, Grinsen, Dummes machen
und all die sonstig lust'gen Sachen.
Denn Anstand wird heut' groß geschreiben
für alle, die zurückgeblieben.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Asche des Lebens (Prolog) - (Martin)

Hier noch ein Prolog, diesmal zu einer Buchidee, die ich weiterführen werde, sobald ich Zeit/Lust habe.


Asche des Lebens


Langsam rieselte der Staub durch seine Finger, der vor wenigen Sekunden noch Bestandteil eines menschlichen Wesens gewesen ist.
Der Wind wehte sanft gegen das Gebilde, ein aus Asche bestehender Schneemann, der langsam ins wanken geriet.

Immernoch schwer atmend starrte er mit weit offenen Augen auf die traurige Gestalt, gemächlich brach der Staub insich zusammen, ein weiteres Menschenleben war ausgelöscht worden.
Mit Schweiß auf der Stirn und brennendem Gesicht wankte er ein paar Schritte zurück, er würde sich wohl niemals an diesen Moment gewöhnen können.
Schließlich stieß er an kalten Stein, die Hauswand bildete eine willkommene Stütze. Sein Herz raste, pumpte das fremde Blut durch seine Venen, ein Kribbeln, das Leben selbst, das durch seinen Körper floss.
Seine Hände zuckten leicht, er vermochte sie noch nicht zu bewegen und so hingen sie verkrampft in der Luft in einer groteskten Geste, der Versuch etwas zu greifen, an etwas festzuhalten, etwas zu klammern, was einem durch die Finger ronn.
Und dann kam der Schmerz. Mit pochenden Hammerschlägen wurden Bilder durch seinen Kopf gejagt, Erinnerungen, die nun in Pein aufblitzten.
Eine Frau, seine Frau, klein und zierlich, Terese war ihr Name, das rote Haar zu einem Zopf geflechtet, in schicken Kleidern.
Ein kleiner Mensch gesellte sich hinzu, sein Sohn, Ruprecht, vor kurzem erst dreizehn geworden, ein quirligen Kerl, bereits größer als seine Mutter, mit denselben kurzgeschnitten schwarzen Haaren wie sein Vater, die Hosen und das Hemd waren schmutzig und zerknittert, der Tribut, den die Übermut forderte.
Tonlos schreiend hielt er sich die Hände an die Schläfen, rießige Nadeln schienen sich durch seine Kopfhaut zu bohren, kaum eine Folter war schlimmer.
Ein großes Haus blitzte vor seinen Augen auf, hübsch gebaut, hellgelb angestrichen, mit einem kleinen Garten, den seine Frau pflegte. Es war sein Besitz, nur wenige Straßen entfernd, er hatte es Nachmittags verlassen und sich mit der Person getroffen, nur mehr ein Häufchen Asche erinnerte daran.
Doch den größten Schmerz verursachte die wichtigste Erinnerung, sein Selbst, wie es durch seine Adern raste, auf seiner Netzhaut brannte und durch die Glieder fuhr. Fast vergessen stieß es mit einem Schrei an die Oberfläche, einem Gefühl gleich, als würde es die Rippen seiner Brust auseinander reißen und den Kopf in die Freiheit stecken.
Er sank auf die Knie, Tränen sammelten sich in seinen Augen. Santos Hammerschmied. Dies war sein Name, grell flackerte er in seinem Blick auf, seit sechsunddreißig langen Jahren hatte er diesen Namen getragen, doch an diesem Tag war er neu geboren worden.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob sich Santos langsam, irritiert blickte er auf den Staubhaufen vor sich, kein Kleidungsstück, kein Schmuck war von seinem Opfer übriggeblieben, nur die flockige graue Masse, die zäh auf dem Steinboden kroch.
Santos wandte sich ab und ging nach Hause.

Montag, 13. Juni 2011

Nadelstiche in schwarzem Stoff (elmo)

Hier von mir ein recht neuer Text, über die dringede Notwendigkeit eines Auditoriums, und darüber, was man bereit ist für diese Aufmerksamkeit zu tun.

Nadelstiche in schwarzem Stoff

Wenn Sterne am Nachthimmel wie Nadelstiche durch einen schwarzen Stoff betrachtet werden, dann ist unsere Sonne nur ein Loch in diesem Stoff. Und alles passt durch dieses zunächst so winzig scheinende Loch, denn je näher man ihm kommt, desto größer wird es.
Durch dieses Loch strahlt ein in den Augen brennendes, grelles, heißes Licht. Eine Verheißung von Veränderung, hervorgerufen durch den Blick hinter die Kulisse unserer Welt. Hinter den schweren und dichten Theatervorhang  aus unbewegtem Stoff. Doch im Gegensatz zum Theater nebenan wird dieser Vorhang nie zurückgezogen, egal wie lang wir in unseren Stühlen sitzen.
Vielleicht kommt es aber - wie so oft - nur auf die Perspektive an, vielleicht sind wir schon auf der Bühne, der Bühne unseres Lebens, und auf der anderen Seite sitzt jemand in einem gemütlichen rotgepolsterten Stuhl, trinkt eine Cola und schaut uns zu, gelangweilt von den ewig gleichen Eskapaden, die wir uns Tag für Tag leisten. Vielleicht schaut er schon gar nicht mehr hin, ist aufgestanden und aufs Klo gegangen oder kauft sich gerade Popcorn. Vielleicht merken wir ja, wann er hinschaut und wann nicht. Und das ist es, was wir als Tag und Nacht wahrnehmen. Sein schwenkender Blick, die wandernde Aufmerksamkeit, rhythmisch auf unser Dasein hinab.
Was passiert, wenn er nicht hinsieht, ist es dann egal, was wir tun? Endet unsere Rolle oder haben wir nur Pause? Haben wir einen Freibrief? Und was passiert, wenn er nie wieder hinschaut? Wir ewig Nacht haben? Unsere Wärmequelle würde Hand in Hand damit versiegen und in der ewigen Nacht käme Kälte. Wir bleiben dann zurück und wissen nichts mehr mit uns anzufangen.
Einige werden sich sicher an der Erinnerung wärmen und dann am Rande des großen Vergessens zusammengekauert erfrieren. Einsam, selbst wenn an einander gekuschelt, für immer Nähe suchend, Aufmerksamkeit. Und es gibt andere, jene die nach vorne schauen werden.
Zu diesen gehöre ich, wir werden uns aufmachen ins Unbekannte. Wir werden uns an dem Vorhang entlang ziehen, nach oben hangeln oder abseilen. Einen Weg darum herum suchen, oder versuchen, mittenhindurch zu dringen. Hindurch durch die Fasern der Trennwand. Schicht um Schicht, Strick um Strick, Faden um Faden, Faser um Faser und notfalls auch Molekül um Molekül. Ewig tiefer bohrend kleiner werden und immer in der Gefahr sein, an dieser unserer eigenen grundlegenden Grenze zu Grunde zu gehen.
Doch ich werde einen anderen Weg suchen. Ich werde mich aufmachen zu jenen fernen Nadelstichen. Immer weiter in die Unendlichkeit. Und wenn ich auch dort auf ein Ende stoße, dann werde ich mich in der Nähe dieses Löchleins niederlassen, nur dass es dann schon ein Loch sein wird für mich, so unermesslich groß wie unser altes. Dort werde ich warten bis die Aufmerksamkeit mich streift und in diesem kurzen Moment, einem Bruchteil eines Lichtblitzes, werde ich tanzen, aber nicht für mich, auf dass es wieder Tag wird - für mich.
 Überraschend zahm, ich weiß. Aber es ist eben ein vorsichtiges Geständnis.

Stilles Wasser (WuRscHtBr0T)

Hier eines meiner alten Gedichte:

Stilles Wasser

Ich ruhe –
Gefangen im Schlund der Natur
Und warte auf die Begegnung.
Ich werde getragen von irdischer Kraft,
Mein Wesen erfrischt die Bewegung.

Ich suche -
Im finsteren Walde den Weg,
Den einst ich empor gekommen.
Der stinkende Boden legt Hürden dahin,
Die Kraft meinem Atem entnommen.

Ich stürze -
Dem Fall überlassen im höchsten Moment,
Mit wütendem Brechen und Tosen.
Ein winziger Lufthauch weht mich dahin
Und führt mich zu welkenden Rosen.

Ich zürne -
Die Welt schnürt die Kehle mir zu.
Sie kennt weder Recht noch Erbarmen.
Ein bebender Schrei, ein letzter Versuch -
Erstickt. Vergessen. Begraben.

Ich ruhe -
Gefangen im Schlund der Natur
Und warte auf die Begegnung.
Ich werde getragen von irdischer Kraft,
Mein Wesen schläft still ohne Regung.

Freitag, 10. Juni 2011

To Hektor (The_Chornicle_of_Hektor)

Dieses Gedicht hab ich gestern aus einer spontanen Laune geschrieben und ist gleichzeitig mein bestreben mich mit diesem Eingangswerk hier vorzustellen:

We build it
to gild it

We build it
to tilt it

We build it to burn it to the ground!

Donnerstag, 9. Juni 2011

Morgenrot (Prolog) (Martin)

Hallo,
hier nun der Anfang einer Kurzgeschichte, bei der ich im Moment in der Hälfte stecken geblieben bin. Wer daraus erraten kann, worum es geht, bekommt eine Packung Kekse ;)


Morgenrot (Prolog)


Eine staubige Straße, einsam im Nirgendwo, die Autos passieren schnell und ohne zu Fragen, wer anhält, ist schon verloren. Düster kriecht das letzte Sonnenlicht in sein finsteres Versteck, um der strahlenden Elektrizität der Straßenlampen und Leuchtreklamen Platz zu machen. Die Häuserblocks stehen dicht an dicht und tuscheln leise, tauschen den neuesten Tratsch aus. Einsame Seelen geistern durch die Straße, auf immerwährender Suche nach Sinn. Geräusche hört man wenig, das Vakuum aus Elend und Gleichgültigkeit scheint sie aufzusaugen. Die Fenster sind nicht verrammelt und doch laden sie nicht zum Weilen ein. „Geschlossen“ Schilder zieren die Eingangstüren der wenigen Geschäfte, Gewinn liegt nicht auf der Straße. Eine Maus huscht von Schatten zu Schatten, kaum sichtbar, stets im verborgenen. Sie nennt die Straße ihre Heimat, doch heimisch fühlt sich hier keine Seele. Der Abfall, selten genießbar, bildet eine doch magere Nahrungsgrundlage. Aufgeregt hebt die Maus ihre stoppelige Nase, als sie Schritte durch die Straße huschen hört. Kein Schleichen, kein Schlendern oder Schlürfen, ein fester, sicherer Tritt trudelt, nicht hastig und doch treibend, das Halblicht endlang. Erschrocken weicht sie den sauberen, schwarzen Schuhen, die so achtlos nach ihrem Leben trachten. Fasst so unscheinbar wie die Maus wandert der Mann von Lichtkegel zu Lichtkegel, seinen verborgenen Blick stets nach vorn gerichtet. Die Maus blickt ihm verwirrt nach, sein schwarzer Anzug lässt ihn fasst mit der Nacht verschmelzen und doch geht eine bedrohliche Präsenz von ihm aus. Abermals schnuppert der kleine Nager, hingerissen zwischen Angst und Neugierde, gestört von dieser merkwürdigen Gestalt. Instinkt weist ihm den rechten Weg, das Tierchen huscht unbeirrt seines Weges, möglichen unangenehmen Geschichten aus dem Weg gehend. Der Mann jedoch bleibt stehen, ein Gebäude betrachtend, das der selben Verfassung wie die restliche Straße ist. Fahles Licht dringt auf die Straße hinaus, dumpfe Geräusche wie gefiltert, unausgesprochene Warnung dem Fremden gegenüber. Schwach blinkt die Neonanzeige, die verdreckte Glasscheibe erlaubt einen verschwommenen Blick ins Innere. Gekritzel an der Türe verweist auf eine „Happy Hour“, doch ob man hier eine glückliche Stunde erleben kann, bleibt im Zweifel. Bereits zwölf Sekunden verweilt der Mann vor dem „Eden“, ehe er in der dreizehnten seine Hand ausstreckt und das Tor zu einer anderen Welt öffnet.




Martin

Relaunch - Update (elmo)

So lang ist's her. Diese Blogsache ist nicht wirklich genau das richtige für mich aber ich habe beschlossen das noch einmal zu versuchen.
Die Sache mit dem Literaturupdate hat auch nicht geklappt, was aber auch an dem nie eingeschickten Video liegen könnte. Die Geschichte ist natürlich immer noch überragend und wird bei Zeiten auch noch hochgeladen.
Ich hab eine ganze Weile nichts mehr geschrieben, aber das hat sich nun geändert. Ich möchte wieder mehr Energie auf das ganze hier verwenden und habe sogar für harte Zeiten die Dave-Methode der Einstürzenden Neubauten das Erstellen eines literarischen Rahmens umgebastelt. (Und es funktioniert ... ich sag nur nicht genau wann ichs verwende.)

Außerdem werde ich jetzt hier von dem einen oder anderen alten Freund als Co-Autor unterstützt, da die selbst einiges schon geschrieben haben (und das nicht von minderer Qualität).

Als neue Eröffnung habe ich etwas altes und etwas neues dabei, zwei Gedichte. Das Alte für genau einen bestimmten ist ein Haiku und das Neue für beliebige zwei wurde als post-modern beschrieben. Letzteres hat auch schon seine Uraufführung mit The_Chornicle_of_Hektor auf dem Stustaculum 2011 hinter sich und war im engsten Kreise durchaus erfolgreich.


Kommandant Dada – Gedicht für zwei

Kommandant  - dada
Schießt auf ein Kind - jaha
Kind fällt um  - hurra
Doch falsches Kind - nana

Kommandant - jaha
Reagiert - hurra
„holt alle Kinder“ - oha
„bindet sie nieder“ - ohaa

Kommandant - jaja
Ist völlig verrückt - ohja
Mit Waffen bestückt - uha
Kein Weg zurück - baba
(4.6.2011)




Für Korbi


Kleines Kind, geh in Deckung
tust du‘s einmal nicht
und man schießt dir ins Gesicht.
(22.1.2008)

Und Überraschung ... sie ähneln sich thematisch doch sehr.
Also freut euch auf mehr ... oder auch nicht.