Montag, 13. Juni 2011

Nadelstiche in schwarzem Stoff (elmo)

Hier von mir ein recht neuer Text, über die dringede Notwendigkeit eines Auditoriums, und darüber, was man bereit ist für diese Aufmerksamkeit zu tun.

Nadelstiche in schwarzem Stoff

Wenn Sterne am Nachthimmel wie Nadelstiche durch einen schwarzen Stoff betrachtet werden, dann ist unsere Sonne nur ein Loch in diesem Stoff. Und alles passt durch dieses zunächst so winzig scheinende Loch, denn je näher man ihm kommt, desto größer wird es.
Durch dieses Loch strahlt ein in den Augen brennendes, grelles, heißes Licht. Eine Verheißung von Veränderung, hervorgerufen durch den Blick hinter die Kulisse unserer Welt. Hinter den schweren und dichten Theatervorhang  aus unbewegtem Stoff. Doch im Gegensatz zum Theater nebenan wird dieser Vorhang nie zurückgezogen, egal wie lang wir in unseren Stühlen sitzen.
Vielleicht kommt es aber - wie so oft - nur auf die Perspektive an, vielleicht sind wir schon auf der Bühne, der Bühne unseres Lebens, und auf der anderen Seite sitzt jemand in einem gemütlichen rotgepolsterten Stuhl, trinkt eine Cola und schaut uns zu, gelangweilt von den ewig gleichen Eskapaden, die wir uns Tag für Tag leisten. Vielleicht schaut er schon gar nicht mehr hin, ist aufgestanden und aufs Klo gegangen oder kauft sich gerade Popcorn. Vielleicht merken wir ja, wann er hinschaut und wann nicht. Und das ist es, was wir als Tag und Nacht wahrnehmen. Sein schwenkender Blick, die wandernde Aufmerksamkeit, rhythmisch auf unser Dasein hinab.
Was passiert, wenn er nicht hinsieht, ist es dann egal, was wir tun? Endet unsere Rolle oder haben wir nur Pause? Haben wir einen Freibrief? Und was passiert, wenn er nie wieder hinschaut? Wir ewig Nacht haben? Unsere Wärmequelle würde Hand in Hand damit versiegen und in der ewigen Nacht käme Kälte. Wir bleiben dann zurück und wissen nichts mehr mit uns anzufangen.
Einige werden sich sicher an der Erinnerung wärmen und dann am Rande des großen Vergessens zusammengekauert erfrieren. Einsam, selbst wenn an einander gekuschelt, für immer Nähe suchend, Aufmerksamkeit. Und es gibt andere, jene die nach vorne schauen werden.
Zu diesen gehöre ich, wir werden uns aufmachen ins Unbekannte. Wir werden uns an dem Vorhang entlang ziehen, nach oben hangeln oder abseilen. Einen Weg darum herum suchen, oder versuchen, mittenhindurch zu dringen. Hindurch durch die Fasern der Trennwand. Schicht um Schicht, Strick um Strick, Faden um Faden, Faser um Faser und notfalls auch Molekül um Molekül. Ewig tiefer bohrend kleiner werden und immer in der Gefahr sein, an dieser unserer eigenen grundlegenden Grenze zu Grunde zu gehen.
Doch ich werde einen anderen Weg suchen. Ich werde mich aufmachen zu jenen fernen Nadelstichen. Immer weiter in die Unendlichkeit. Und wenn ich auch dort auf ein Ende stoße, dann werde ich mich in der Nähe dieses Löchleins niederlassen, nur dass es dann schon ein Loch sein wird für mich, so unermesslich groß wie unser altes. Dort werde ich warten bis die Aufmerksamkeit mich streift und in diesem kurzen Moment, einem Bruchteil eines Lichtblitzes, werde ich tanzen, aber nicht für mich, auf dass es wieder Tag wird - für mich.
 Überraschend zahm, ich weiß. Aber es ist eben ein vorsichtiges Geständnis.

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