High Noon mit roten Augen in Grau
Hier ist ein
Mann, er ist dünn und schwach. Keine Kraft mehr in dem Körper, der in nicht
mehr als ein zerschlissenes Hemd und eine schmutzige Hose gehüllt ist.
Unmöglich zu sagen, welche Farben die Klamotten einst hatten. Alles verblasst,
so wie seine Lebenskraft. Hier ist ein Mann, der schon langer Zeit begonnen hat
zu sterben. Hier ist ein Mann, der gar nicht mehr richtig hier ist.
Er sitzt auf
dem Boden einer windstillen, staubigen Straße, die noch in Jahrzenten keinen
Asphalt gesehen haben wird. Er sitzt an ihrem Rand und lehnt sich an einen
kaputten Holzzaun. Neben ihm Scherben einer zerbrochenen Flasche, deren Hals er
immer noch fest in seiner linken Hand hält. In seiner Rechten hält er nichts. Das
ist sein Dasein.
Um ihn herum
sind locker gesetzt Häuser, aufgebaut aus dem nichts und dahin werden sie auch
verschwinden. So wie alles in dieser kleinen Stadt, falls das nicht sowieso ein
zu großes Wort für das hier ist. Alles was bleiben wird ist die Straße. Die
Straße auf der in korrekten zeitlichen Proportionen Männer ihr Leben ganz ohne
Würde in ehrenhaften Duellen verlieren. High Noon und meistens Bauchschüsse.
Qualvolle Tode. Gelegentlich schaffen sie es noch sich bis an den Rand zu
ziehen, nur um dann da zu krepieren. Da liegen sie dann bis sie so sehr
stinken, dass sie irgendjemand entfernt.
Alles vor
den Augen unseres Mannes, der gar nicht hinsieht. Die Augen starr auf die
Geschehnisse gerichtet ohne auch nur irgendetwas zu sehen. Er sitzt dort am
Boden wie ein Mahnmal für alles, was dort geschehen ist und noch kommen wird.
All der Schmerz und die wenige Freude. Zeitlos sitzt er wie ein steinerner
Wächter und wartet auf seine Ablösung. Die Augen voll Sand, rot und trocken.
Willenlos wie der Fotoapparat etwa 150m von ihm entfernt. Der Fotoapparat des
Bürgermeisters, der darauf so stolz ist. Bald wird er sterben er und man merkt
es erst drei Tage später, als er nicht zur Messe erscheint. Als man sein Haus
nach der Beerdigung durchsucht, findet man einen Grabstein mit seinem Namen
drauf, aber stellt ihn nicht auf. Wenn man wüsste, wo man suchen müsste, würde
man noch lange den Stein unter viel Sand finden können. Wie ein Grundstein
trägt er ein Stück Geschichte in die Zukunft, nur dass nie jemand unter ihm lag
und ihn so seiner Bedeutung beraubt.
Dafür gibt
es etwas in dieser Stadt, worunter schon viele lagen. Sie ist die einzige
Prostituierte in dieser Stadt und war nicht mal in ihrer Jugend schön. Das
einzige was verhinderte, dass sie fettleibig und völlig unförmig wurde, war der
andauernde Essensmangel. Bald beginnt sie ihre Freier immer ein wenig zu
beklauen, gerade genug zusammenzubekommen um wegzureißen und nie wieder zu
kommen. Ihr großer Traum. Als ein Stammkunde das bemerkt erschießt er sie mit
einem Revolver.
Einen
Revolver findet auch unser entseelter Mann plötzlich neben seiner rechten Hand im
Sand liegen. Langsam, als sei er sich nicht sicher ob der Revolver echt wäre,
greift er nach ihm, die rotgrauen Augen bewegen sich, scheinen weniger grau und
betrachten lang das Fundstück. Er scheint alt und nicht geölt, das Holz am
Griff hat Sprünge und die Holzstückchen sprießen spröde hervor. Aus der Kirche
hört man die Glocke zwölfmal spröde klingen. Er richtet sich langsam auf, in
dem er sich an dem Zaun hochzieht. Lässt seinen Flaschenhals zurück und geht
ganz vorsichtig in die Mitte der Straße. Dort hält er sich die Waffe an den
Kopf und drückt hab. Nichts passiert. Langsam schaut er sich um, niemand hat
ihn bemerkt. Er lässt die Waffe in der Mitte der Straße in den staubigen Sand
fallen und geht schwach zurück zu seinem Zaun. Dort lässt er sich wieder nieder
neben seinem Flaschenhals und die Augen richten sich wieder stumpf gerade aus.
Sie scheinen nun noch etwas grauer und leerer als zuvor.
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