So hier nun auch wieder etwas von mir: Ein Märchen aus anderen Tagen. Und wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, gibt es am Ende sogar eine Moral. Mehr möchte ich auch gar nicht vorwegnehmen.
Märchen über den Mann mit den sanften Händen
Bei uns am Hofe gab es einst einen Mann, der für seine unglaublichen Hände bekannt war. Diese Hände zeichneten sich durch ihre unbeschreibliche Weichheit aus und waren über das hinaus noch sehr wohlgeformt. Dies führte dazu, dass er nie etwas zu Arbeiten lernte, da er immer nur seine Hände schonen musste. Unsere Gräfin, ihres Zeichens eine noch nicht sehr alte Witwe aus höchstem Adel, denn ihr Mann war in den 30-jährigen Krieg hineingeboren worden und auch dort gefallen, war sehr in die Hände verliebt. So geschah es, dass der Mann mit den schönen Händen jeden Morgen die Gräfin an beiden Händen fassen musste und sie an diesen aus dem Bette ziehen musste, und Abends musste er sie zu Bette geleiten und drei Mal die Hände schütteln, ganz langsam natürlich, und sobald sie lag, sie zudecken und ihr noch einmal über die Wange streicheln. Auch tagsüber wurde er oft gerufen damit die Gräfin die Lieblichkeit seiner Hände genießen konnte. Wenn Gäste kamen und von genug hohem Adelsstand waren oder enorm reich waren, wurde er auch sogleich gerufen, denn er musste die Gäste empfangen und jedem die Hand geben. So war jeder Gast gleich wohlgestimmt.
Doch der Mann mit den sanften Händen wurde sonst nicht sehr gut behandelt, so bekam er zwar genug Essen, aber jeder behandelte ihn wie einen Aussätzigen, denn es war dem normalen Volke verboten auch nur einen Blick auf seine Hände zu erhaschen. Zudem war ihm klar, dass die Gräfin niemals ihn selbst sehen würde, sondern nur seine wunderbaren Hände.
Und so beschloss er eines Tages zu verschwinden, und nach einem besonders schlimmen Tag, an dem ihn kleine Kinder mit Steinen beworfen hatten, packte er am in der Nacht das Nötigste zusammen und verschwand beim ersten Morgengrauen. So wanderte er einige Wochen ganz alleine und sehr glücklich umher, lebte von seinen eingepackten Vorräten und dem Geld was er sich zusammengespart hatte, denn er hatte oft den einen oder anderen Taler von einem wohlgesonntem Gast unseres Hofes zugesteckt bekommen. Doch irgendwann wurden die Taschen des Mannes sehr leer und er bekam schrecklichen Hunger, so schrecklich, dass er sogar in Erwägung zog wieder an unseren Hof zurückzukehren. Aber er blieb stur, und nach zwei weiteren Tagen ohne essen kam er an einen Jahrmarkt und dort sah er seine Chance.
Auf diesem Jahrmarkt, welcher voll von unterschiedlichsten Ausstellern und Künstlern war und wo es allgemein sehr viel zu sehen gab, stellte er sich in eine Lücke zwischen zwei Stände und ließ sich die Hände schütteln, das ganze für ein paar Pfennige. Zuerst kam natürlich niemand, denn wer wollte schon sein weniges Geld für Händeschütteln ausgeben, aber nach und nach kamen die Leute. Dann wurden es immer mehr, weil es sich herumgesprochen hatte, was für wunderbare Hände dieser Mann besaß. Es gab bald eine riesige Menschentraube vor ihm.
Am Abend hatte er soviel Geld in den Taschen, wie nie zu vor und war sehr glücklich. Als er gerade zusammenpackte, stand da auch einmal ein sehr großer bärtiger Mann und erschreckt ihn mit seiner Präsenz sehr. Dieser Mann war weithin bekannt als der Mann, der Hände sammelte, und er besaß eine sehr große Sammlung, die er immer in einem großen, derben Sack über seine Schulter geworfen mit sich umher trug.
Nach einem gar nicht all zu langem Gespräch fanden beide eine für sie ansprechende Lösung und als sie sich für immer voneinander trennten, hatte der Mann, der dafür bekannt war dass er Hände sammelte, die zwei sanftesten Hände der Lande bei sich; in jeder Manteltasche eine, so dass er beide gleichzeitig bei jeden Wetter unterwegs genießen konnte. Der andere Mann, welcher bis dahin bekannt war für seine sanften und wohlgeformten Hände, hatte nun einen riesigen Sack voller Hände und suchte sich so gleich passende aus den über 50 Paar aus.
Nach kurzer Zeit mussten jedoch beide feststellen, dass es keine gute Idee war zu tauschen, denn der Mann, der weithin dafür bekannt war, dass er eine große Händesammlung besaß, hatte nun keine mehr und wusste nur zu gut, dass die zwei sanften, großartigen Hände nun getrennt von ihrem früheren Besitzer nicht lange so bleiben würden. Und der andere Mann, der so stolz auf seine großartigen Hände - denn sie waren wohl tatsächlich die besten Hände, die es Jahrzehnte lang geben sollte - war unglücklich, denn er war nun in seinen Augen nichts Besonderes mehr und die vielen Hände, die er besaß, wollten ihm weder richtig passen, noch konnten sie ihn wirklich glücklich machen.
So lasset nun gesagt sein, achtet euch vor zu schnellen Entscheidungen voller spontaner Begehrlichkeit; vor allem bei Dingen, die euch sehr am Herzen liegen oder euch gar ausmachen, denn sonst könnte es auch euch ähnlich ergehen, wie diesen zwei armen Männern.
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