Mittwoch, 15. Juni 2011

Asche des Lebens (Prolog) - (Martin)

Hier noch ein Prolog, diesmal zu einer Buchidee, die ich weiterführen werde, sobald ich Zeit/Lust habe.


Asche des Lebens


Langsam rieselte der Staub durch seine Finger, der vor wenigen Sekunden noch Bestandteil eines menschlichen Wesens gewesen ist.
Der Wind wehte sanft gegen das Gebilde, ein aus Asche bestehender Schneemann, der langsam ins wanken geriet.

Immernoch schwer atmend starrte er mit weit offenen Augen auf die traurige Gestalt, gemächlich brach der Staub insich zusammen, ein weiteres Menschenleben war ausgelöscht worden.
Mit Schweiß auf der Stirn und brennendem Gesicht wankte er ein paar Schritte zurück, er würde sich wohl niemals an diesen Moment gewöhnen können.
Schließlich stieß er an kalten Stein, die Hauswand bildete eine willkommene Stütze. Sein Herz raste, pumpte das fremde Blut durch seine Venen, ein Kribbeln, das Leben selbst, das durch seinen Körper floss.
Seine Hände zuckten leicht, er vermochte sie noch nicht zu bewegen und so hingen sie verkrampft in der Luft in einer groteskten Geste, der Versuch etwas zu greifen, an etwas festzuhalten, etwas zu klammern, was einem durch die Finger ronn.
Und dann kam der Schmerz. Mit pochenden Hammerschlägen wurden Bilder durch seinen Kopf gejagt, Erinnerungen, die nun in Pein aufblitzten.
Eine Frau, seine Frau, klein und zierlich, Terese war ihr Name, das rote Haar zu einem Zopf geflechtet, in schicken Kleidern.
Ein kleiner Mensch gesellte sich hinzu, sein Sohn, Ruprecht, vor kurzem erst dreizehn geworden, ein quirligen Kerl, bereits größer als seine Mutter, mit denselben kurzgeschnitten schwarzen Haaren wie sein Vater, die Hosen und das Hemd waren schmutzig und zerknittert, der Tribut, den die Übermut forderte.
Tonlos schreiend hielt er sich die Hände an die Schläfen, rießige Nadeln schienen sich durch seine Kopfhaut zu bohren, kaum eine Folter war schlimmer.
Ein großes Haus blitzte vor seinen Augen auf, hübsch gebaut, hellgelb angestrichen, mit einem kleinen Garten, den seine Frau pflegte. Es war sein Besitz, nur wenige Straßen entfernd, er hatte es Nachmittags verlassen und sich mit der Person getroffen, nur mehr ein Häufchen Asche erinnerte daran.
Doch den größten Schmerz verursachte die wichtigste Erinnerung, sein Selbst, wie es durch seine Adern raste, auf seiner Netzhaut brannte und durch die Glieder fuhr. Fast vergessen stieß es mit einem Schrei an die Oberfläche, einem Gefühl gleich, als würde es die Rippen seiner Brust auseinander reißen und den Kopf in die Freiheit stecken.
Er sank auf die Knie, Tränen sammelten sich in seinen Augen. Santos Hammerschmied. Dies war sein Name, grell flackerte er in seinem Blick auf, seit sechsunddreißig langen Jahren hatte er diesen Namen getragen, doch an diesem Tag war er neu geboren worden.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob sich Santos langsam, irritiert blickte er auf den Staubhaufen vor sich, kein Kleidungsstück, kein Schmuck war von seinem Opfer übriggeblieben, nur die flockige graue Masse, die zäh auf dem Steinboden kroch.
Santos wandte sich ab und ging nach Hause.

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