Über Essen und Autorität:
Download der ganzen Geschichte von gloria-defectus.de„Brav den Mund auf, gut kauen und dann erst schlucken“, befahl der Weißbekittelte seinem blinden Gegenüber und manövrierte mit seiner langen gläsernen Zange, in der sich nur für einen der beiden das Licht spielte, ein Stück gebratenes Fleisch in dessen Mund. „Tester 335, erkennen sie den Schweinebraten?“, fragte der Mann mit der gläsernen Zange. „Ich bin mir nicht ganz sicher, welche Soße verwen..“, setzte der andere an, bis er kalt unterbrochen wurde: „Nur auf die Frage antworten!“ – „Positiv!“Zufrieden hängte der Mann ohne Namensschild die Zange an den Rolltisch, machte ein Häkchen auf dem Klemmbrett hinter der Nummer 335, und zog mit der rollenden Unterlage durch die einzige Tür des Zimmers davon. Der nächste Halt war gleich gegenüber: Zimmer 336.Er öffnete die Tür trat herein, holte den Wagen hinter ihm durch die Tür und schloss diese wieder. „Sie wissen was nun kommt, Tester 336?“ – „Positiv“ – „So ist‘s gut. Sie werden gleich ein Stück Apfel bekommen und müssen nur sagen, ob sie es erkannt haben. Mund auf!“ Mit der mittlerweile gut eingeübten Handbewegung fischte er das letzte gebratenen Fleischstück vom Teller und steckte es sacht in den Mund. Hier spielte kein Licht mit der Glaszange, es surrte nur die alte Neonröhre an der Decke und verbreitete ein kühles gedämpftes Licht. „Positiv!“ – „Sehr gut, brav. Sie werden in Kürze abgeholt. Dann wird ihnen auch die Augenbinde abgenommen.“Er packte wieder seine Sachen zusammen, machte sein Häkchen und verließ den Raum. Er machte sich langsam auf den langen Weg zurück…den grauen kahlen und leblosen Gang entlang. Auf beiden Seiten nur Türen mit Nummern. Alles was er hörte waren die kleinen Plastikreifen die über den Boden quietschten und das summende Geräusch der Neonröhren.Am Ziel angelangt stellte er den Tisch zu den übrigen Gebrauchten dazu, betrat die Umkleide und wechselte den nichtssagenden weißen Kittel gegen den schwarzen Anzug mit dem Namensschild aus.Er kämmte sich die Haare, richtete die graue Krawatte und ging auf der anderen Seite der Umkleide wieder heraus. Nur sein Klemmbrett führte er noch mit sich.Die Sekretärin meldete ihn an und er trat durch die Tür hindurch. Der alte kahle Mann mit dem teuren Anzug saß wie gewohnt in dem riesigen schwarzen Ledersessel, der wohl schwer unter dem immensen Gewicht zu leiden hatte. „Na A, was haben sie zu berichten? War es heute ein spannender Tag?“ der Mann mit dem schlichten A auf dem Namensschild wartete bis das hämische Gelächter im Raucherhusten untergegangen war. „Sie wissen genau, wie es war, aber trotzdem fragen sie. Und sie kennen das Ergebnis auch schon. Müssen wir wirklich weitertesten?“ – „Oh…das wissen hingegen sie schon. Alles muss mit rechten Dingen zugehen. Wir wollen doch nicht, dass unser so gut geplantes Produkt wegen so einer Kleinigkeit versagt! Die jahrelange Arbeit wäre umsonst, die potentiellen Leben verschwendet. Wir wissen beide, dass das gebratene Fleisch von Neugeborenen genau den Geschmack annimmt, der erwartet wird. Dennoch…es ist unsere Aufgabe als kulinarische Pioniere…und als Wissenschaftler, dass wir uns ganz sicher sind!“ – „A…“ – „KEIN ABER! … Ich weiß ihren Beitrag hier sehr zu schätzen, deswegen sind sie auch mein A...aber Namen können geändert werden. Vielleicht sogar zu P. Merken sie sich das endlich.“ – „Also testen wir weiter.“ – „Positiv!“Diesmal wartete er nicht bis die Lache erstickte, er drehte dem bebenden Fleischberg sofort seinen Rücken zu und verließ den Raum. Es hatte sowieso keinen Sinn sich zu wiedersetzten.„Positiv“
23.1.2008
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